Foto: Stiftung EVZ/Dietrich Wolf Fenner

Auf sich allein gestellt: Queere Flüchtlinge

Queere Geflüchtete haben es auch in Deutschland schwer

Es ist eine sehr persönliche Ge­schichte, die die junge Frau in stockendem Englisch vorträgt. Maguy Merheby ist Künstlerin, lebt seit mehr als einem Jahr in Berlin und engagiert sich für queere, also lesbi­sche, schwule, bi- und transsexuelle Geflüchtete. Denn zu ihnen gehört sie selbst – Maguy Merheby ist trans­sexuell. Ihr Vortrag leitet Ende Juni einen Gesprächsabend der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und ­Zukunft (EVZ) ein, dessen Thema „Queer ­refugees – welcome!?“ ist.

Über Land und Meer floh Maguy Merheby vor Intoleranz und Unter­drückung aus dem Libanon und lan­dete schließlich in Berlin. Hier wich die Hoffnung auf ein freieres Leben schnell der Ernüchterung: chaoti­sche Zustände in Ämtern und Wohn­heimen, keine Privatsphäre und kaum Empathie. Manchmal, sagt sie, habe sie sich gefragt, ob sie für die Behörden bloß ein Blatt Papier sei. Tatsächlich wird auf die durchaus heikle Situation von queeren Ge­flüchteten von offizieller Seite bis­lang wenig Rücksicht genommen: Eine Freundin von ihr sei zum ­Beispiel gezwungen worden, die Herrendusche zu benutzen.

Maguy Merheby lernte schließ­lich, allein zurechtzukommen. Eher zufällig fand sie eine private Organi­sation, die queere Menschen unter­stützt. Schnell begann sie auch selbst, sich für Geflüchtete einzuset­zen, die in einer ähnlichen Lage wie sie sind. Als Aktivistin hat sie so, wie sie sagt, eine neue Familie gefunden und sieht sich noch lange nicht am Ziel: „Ich habe noch immer das Ge­fühl, jeden Tag aufs Neue beweisen zu müssen, dass ich auch ein Mensch bin“, sagt sie.

Auch in der anschließenden Ge­sprächsrunde wird deutlich, wie oft es nötig ist, sich als Flüchtling selbst zu helfen. Die Teilnehmer sind Kin­der von Migranten oder selbst ge­flüchtet: Salma Arzouni ist für den auf Hilfe für queere Flüchtlinge spe­zialisierten Verein Gladt tätig, Nadiye Ünsal ist Mitgleid des Migrationsrats Berlin-Brandenburg, Konstantin Sherstyuk arbeitet für die russische Queer-Organisation Quarteera und Mahmoud Hassino für die Schwulen­beratung Berlin. Die Diskussion ver­läuft stockend, die Meinungen gehen auseinander, etwa darüber, ob spe­zielle Notunterkünfte für queere Ge­flüchtete – wie es sie seit Jahres­anfang in Bayern gibt – eine Lösung sind. Doch in einem sind sich alle einig: Es muss mehr getan werden für die „queer refugees“. Laut Salma Arzouni, die das Gespräch mode­riert, geht es vor allem um eines: Die Verantwortlichen für die Flüchtlings­politik müssten die Betroffenen zu­nächst einfach nach ihren Bedürf­nissen fragen. Möglicherweise wür­den sich Flüchtlinge dann nicht mehr wie Maguy Merheby fühlen, die ihre Rede mit einem Satz been­det, aus dem Enttäuschung spricht: „Thank you, Germany, for nothing.“

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Kategorien Flüchtlinge Politik

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