Aza Godieva vermisst in der Flüchtlingsdebatte zunehmend die Menschlichkeit.
An der Flüchtlingsfrage scheiden sich die Geister. Während die einen ehrenamtlich Deutsch unterrichten, „spazieren“ die anderen mit Pegida-Schildern in der Hand. Mit jedem neuen Zug voll Flüchtlinge erhitzen sich die Gemüter zunehmend. Inzwischen ist das Thema so heikel, dass jeglicher Diskurs gefährlich ist. Das kollektive Scheitern scheint nicht mehr weit. Die Situation gerät außer Kontrolle.
Ich stelle mir immer häufiger die Frage: Wie soll man sich als Ausländer, Asylant, Migrant, oder wie man uns nennen möchte, verhalten, damit die Einheimischen mit uns zufrieden sind? Einerseits dürfen wir nicht arbeiten, weil wir sonst Arbeitsplätze weg-nehmen. Wer aber nicht arbeitet, dem wird unterstellt, er wolle sich nicht integrieren.
Dieses Verhalten macht die Entstehung einer Parallelgesellschaft erst möglich. Die hier Ankommenden verschmelzen zu einer anonymen Masse. Integration wird so verhindert. Wir müssen diese Menschen in unsere Wirklichkeit einbeziehen, damit sie sich gebraucht fühlen. Nur so werden sie Teil der Gesellschaft. Und dabei ist es dumm und falsch, von Flüchtlingen zu fordern, sie sollen ihre Werte, ihren Glauben, ihre Individualität aufgeben und sich einreihen. Ist Facettenreichtum nicht bereichernd? Wir sollen alle gleich sein? Das ist unmöglich und unnötig.
Es muss aufhören, dass Flüchtlinge als ungewollter Virus betrachtet werden. Es geht hier um Menschenleben. Und kein Mensch flieht grundlos aus seiner Heimat. Die Konfrontation mit dem Elend auf dieser Welt ist für unsere optimistische Gesellschaft zu realistisch? Das geht nicht. Wir sind Teil dieser Welt, Flüchtlinge sind es auch. Und jeder hat ein Recht, in Frieden zu leben.
Ja, es braucht Lösungen. Ja, Deutschland kann nicht jeden Flüchtling für immer hier aufnehmen. Das heißt aber nicht, dass die Menschlichkeit verloren gehen darf. Wir müssen helfen. Dieser Meinung bin ich nicht, weil ich selbst Flüchtling bin, sondern weil ich Mensch bin.
Aza Godieva ist 19 Jahre alt und macht gerade Abitur. Seit sechs Jahren lebt die gebürtige Tschetschenin in Deutschland. Gerade erhielt sie zum zweiten Mal ein Start-Stipendium, das engagierte Jugendliche mit Migrationshintergrund auszeichnet.
Von Aza Godieva, 19 Jahre