Von Radosveta Strumenlieva
Von wegen überfüllte Bürgerämter, kilometerlange Kundenschlangen, gestresste Sachbearbeiter. Berlin kann auch anders. Im ersten „Bürgeramt 2.0“ an der Kreuzberger Schlesischen Straße überwiegt die gute Stimmung. Seit gut einem Monat haben neun Jugendliche und junge Erwachsene im ersten Lehrjahr zum Verwaltungsfachangestellten die Zügel in der Hand. Hoch motiviert versuchen sie nun für ein halbes Jahr zwei Tage die Woche, den Bürgerandrang zu bändigen. Damit alles rund läuft, stehen den Azubis vier Ausbilder zur Seite. Die größte Herausforderung bislang: die streikende Verwaltungssoftware.
Von Anfang an selbstständig arbeiten und Verantwortung übernehmen – dafür lassen sich Jugendliche begeistern. Das Azubi-Projekt scheint aufzugehen. Schritt für Schritt arbeitet sich der Nachwuchs in die verschiedenen Aufgaben ein: Leitungsassistenz, Infoschalter, Dokumenten-ausgabe, Sachbearbeitung. In der Schlesischen Straße 27a hat der Bezirk aus einer Not eine Tugend gemacht. Vor einem Jahr musste das Bürgeramt wegen Personalmangels schließen. Nun können die neun Neulinge den Notstand ein wenig lindern. Dank ihnen sind die Warteschlangen in den Kreuzberger Bürgerämtern ein paar Meter kürzer als bislang. Nicht zuletzt sammeln die Azubis wertvolle Praxiserfahrungen, die ihnen kein Theorieunterricht vermitteln könnte.
Ein Zukunftmodell? Warum nicht! Berlins erstes Bürgeramt 2.0 ist ein guter Beweis, dass auch in einer kommunalen Einrichtung funktionieren kann, was im Einzelhandel seit Jahren praktiziert wird, und dass es sich lohnt, Azubis Verantwortung zu übertragen.