Volle Teller für Jungen und Mädchen

Jugendreporterin Josephine dreht mit Kindern in Indien einen Film über Gleichberechtigung

NEU-DELHI. Komal holt Luft, wischt das Lächeln von ihrem Gesicht und ruft verärgert: „Das ist doch ungerecht, dass Raju mehr Essen bekommt als ich, nur weil er ein Junge ist!“ Sie wartet einige Sekunden, bis ich die Kamera senke. Dann brechen alle Schüler in Lachen aus – das war die letzte Szene für heute. Bei Nav Srishti, einer kleinen Nichtregierungsorganisation bei Neu-Delhi, laufen seit Kurzem „Dreharbeiten“.
Mit Kindern zwischen acht und zwölf Jahren drehe ich einen Film, der auf einer indischen Kinderbuchserie basiert. „Minas Geschichten“ heißt sie. Es geht um ein Mädchen, das sich für die Gleichbehandlung von Mädchen und Jungen einsetzt und auch sonst gute Ideen hat. Mina ist ein Vorbild für viele Kinder, die täglich zu Nav Srishti kommen. Die Idee, eines ihrer Abenteuer zu verfilmen, nahmen sie begeistert auf. Seitdem arbeiten sie mit einer Ausdauer an dem Projekt, die ich mir in den Englischstunden wünschen würde. Normalerweise lehre ich seit vergangenem Sommer fast alles, was man sich denken kann: von Mathe bis zum Basteln von Origamivögeln. Die Organisation, für die ich tätig bin, setzt sich für Bildung und die Stärkung der Rechte von Kindern ein. Sie bietet Nachhilfe an, aber auch Unterricht für Kinder, die sonst gar nicht zur Schule gehen.

Die Kinder von Nav Srishti lernen das Drehbuch zu "Minas Geschichten". FOTO: JOSEPHINE VALESKE
Die Kinder von Nav Srishti lernen das Drehbuch zu „Minas Geschichten“. FOTO: JOSEPHINE VALESKE

Dass den Kindern das Filmen solchen Spaß macht, ist kein Wunder – sie alle besuchen öffentliche Schulen, in denen verglichen mit Deutschland wenig Wert auf kreative Arbeit gelegt wird. Der Unterricht besteht vor allem aus Auswendiglernen. Anders ist es an Privatschulen; doch die Familien, mit denen Nav Srishti arbeitet, können sich die nicht leisten. Wenn Geld da ist, wird es oft für die Bildung der Jungen verwendet. Mädchen arbeiten nach der Hochzeit nur selten, für viele Eltern ist ihre Ausbildung deshalb weniger wichtig. So ist es auch bei Komal, deren Bruder eine Privatschule besucht, während sie trotz besserer Noten in die öffentliche Schule geht. Dass Komal ihre Rolle als Mina so überzeugend spielt, liegt sicher auch an ihren eigenen Erfahrungen.
Die Idee des Projekts ist daher, den Kindern Mut zu machen, bekannte Rollen zu hinterfragen – damit sie später den Teller ihrer Tochter so vollfüllen wie den ihres Sohnes.

(Josephine Valeske, 17 Jahre)

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