Textanalyse statt Marschmusik

Von Laura Patz, 20 Jahre

Als Lehramtsstudentin beschäftigt mich ab und an die Frage, wie man Schülern Wissen am besten vermittelt. Egal wie bewandert man in einem Thema ist oder welche Leidenschaft ein Lehrer für sein Fach hat, mittlerweile weiß jeder meiner Kommilitonen, dass einen das allein noch lange nicht zu einem guten Lehrer macht. Besonders wichtig ist, dass man die Inhalte auch anderen zugänglich machen kann.

Laura Patz findet, dass einige Lieder nicht in den Musikunterricht gehören. FOTO: PRIVAT
Laura Patz findet, dass einige Lieder nicht in den Musikunterricht gehören. FOTO: PRIVAT

Für eine ziemlich fragwürdige Lehrmethode hatte sich vor einigen Wochen eine Lehrerin des Emmy- Noether-Gymnasiums in Köpenick entschieden. Im Musikunterricht ließ sie ihre Schüler das Horst-Wessel-Lied, Partei-Hymne der NSDAP, summen und dazu marschieren. Der Köpenicker Politiker Hans Erxleben hatte daraufhin Anzeige erstattet; mittlerweile wurden die Ermittlungen aber eingestellt, weil das Lied nicht gesungen, sondern nur gesummt und auch auf einer keiner öffentlichen Veranstaltung angestimmt wurde.
Ich denke nicht, dass die Lehrerin tatsächlich nationalsozialistisches Gedankengut verbreiten wollte. Trotzdem halte ich ihre Methodik, ein faschistisches Lied kritisch zu betrachten, indem man es durch Stampfen und Summen wiederbelebt, für ungeschickt und falsch.
Interaktivität, so scheinen viele Lehrer zu denken, sei der Stein der Weisen im Unterricht, mit dem man Spaß und Bildung verbindet. Schüler werden aktiviert und erlangen ein besseres Verständnis für komplexe Sachverhalte. Klar, ein Experiment in der Physikstunde, die Simulation einer Bundestagssitzung im Politikunterricht, eine Sprachreise im Englischkurs – das alles sind interaktive Methoden, von denen Schüler meistens mehr haben als vom bloßen -Lesen eines Lehrbuches oder vom Lösen der Aufgaben darin. Auch das Fach Musik lebt selbstverständlich von einer gewissen Dynamik. Aber nicht, wenn diese Dynamik an die Propaganda der Nazis erinnert.
Auch wenn die Lehrerin das Lied behandelte, um es in der anstehenden Klausur mit Bertolt Brechts Parodie darauf, dem „Kälbermarsch“, vergleichen zu lassen: Es wäre besser gewesen, den geschichtlichen Hintergrund zu besprechen, vor dem es entstanden ist, und den Text kritisch zu besprechen. Die gute alte Textanalyse wäre wohl in diesem Fall, auch im Hinblick auf die Klausur, die bessere Alternative gewesen.

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Kategorien Politik

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