Dagobert Duck neuer Weltbankpräsident

Bei dem Planspiel Model United Nations schlüpfen Jugendliche in die Rolle von UN-Delegierten

Von Alina Mohaupt , 16 Jahre

GENF. Das kennt man in Genf, dem Hauptsitz der vereinten Nationen so nicht: Vom 12. bis 15. Januar versammelten sich mehr als 600 UN-Delegierte aus 15 verschiedenen Ländern in der Stadt in der Schweiz, um über die großen Fragen der Weltpolitik zu sprechen. So weit klingt das nicht ungewöhnlich. Allerdings waren sämtliche Abgeordnete im schulpflichtigen Alter. Sie alle nahmen an dem Jugendpolitik-Forum Ferney Model United Nations teil, das einmal jährlich Jugendlichen aus aller Welt die Möglichkeit bietet, in der Rolle eines UN-Delegierten globale Probleme zu diskutieren.

 

Der einzige erkennbare Unterschied zwischen dem Model United Nations und einer echten Konferenz der Vereinten Nationen ist das Alter der Delegierten. Foto: ITU/J.M. PLANCHE
Der einzige erkennbare Unterschied zwischen dem Model United Nations und einer echten Konferenz der Vereinten Nationen ist das Alter der Delegierten. Foto: ITU/J.M. PLANCHE

Wie die echte Politik

Das diesjährige Thema der Konferenz waren die Milleniums-Entwicklungsziele für 2015. Diese Ziele setzen sich die Vereinten Nationen, um internationale humanitäre Krisen wie fehlende medizinische Versorgung in Entwicklungsländern zu bewältigen. Wie das funktioniert, konnten die Jugendlichen bei der dreitägigen Versammlung erfahren.

 

Nachdem die Konferenz mit einem Hammerschlag des Präsidenten eröffnet worden war, begaben sich die Delegierten in Gremien wie den Rat für Umweltschutz und den Rat für Krieg und Abrüstung. Dort begann die Debatte mit einem informellen Austausch, bei dem sich die Teilnehmer – wie in der echten Politik – Verbündete für ihre Ziele suchten und mit diesen ihre Lösungsvorschläge in einer Resolution zusammenfassten. Weil alle Länder unterschiedliche Meinungen zu dem jeweiligen Problem haben, kamen am Ende dieser Phase mehrere Resolutionen heraus.

 

Welche die beste Lösung war, entschied sich in der darauffolgenden formellen Diskussion. Zum Schluss wurde abgestimmt, ob die Resolution akzeptiert werden sollte. „Die Entscheidung, ob ich für oder gegen eine Resolution bin, hängt auch davon ab, ob sie der politischen und religiösen Prägung meines Landes entspricht“, erklärt der 18-jährige Amerikaner Kalvin, der Südkorea repräsentiert.

 

Der Kern des Debattierens sei nicht, die eigene Meinung zu vertreten, sondern die Position seines Landes.
Häufig fiel es den Teilnehmern schwer, in der Rolle zu bleiben, weil viele auch Länder vertraten, die radikal anti-westliche Meinungen vertreten. Das war es allerdings auch, was die Diskussion nach der Meinung vieler Teilnehmer interessant machte.

 

Damit das politische Spiel authentisch wirkte, gab es eine Kleiderordnung, die Anzug und Krawatte verlangte. Die Teilnehmer störte das nicht – im Gegenteil: Viele meinten, dass das die Atmosphäre der Model United Nations mit ausmache und schnell ein Gemeinschaftsgefühl schaffe, obwohl man sich zum ersten Mal treffe. „Jeder sieht eben, dass wir zusammengehören“, sagt die 17-jährige Vanessa aus Baden-Württemberg.

 

Model-United-Nations-Konferenzen gibt es überall auf der Welt,
die meisten auf Englisch oder Französisch. Eine Besonderheit des von den Schülern des französischen Lycée International de Ferney-Voltaire initiierten Ferney Model United Nations besteht darin, dass sie in beiden Sprachen durchgeführt wird. Einerseits bietet sich so die Möglichkeit, Sprachkenntnisse zu verbessern. Andererseits handelt es sich auch um eine Herausforderung: Wenn ein Delegierter zum vierten Mal aufgefordert wurde, seine Aussage wegen Verständnisfragen zu wiederholen, war deutlich zu spüren, wie sich Ungeduld breitmachte.

 

Abgesehen von solchen Schwierigkeiten war die Internationalität der Konferenz einer der spannendsten Aspekte. „Bevor ich hier Deutsche kennengelernt habe, dachte ich, alle Deutschen heiraten mit 18 Jahren und tragen dabei bayerische Tracht“, sagt ein amerikanischer Teilnehmer. Auch während der Debatten kam trotz der großen Themen der Humor nicht zu kurz. So beherrschte in der Resolution des Finanzrates Dagobert Duck die
Weltbank.

 

Tratsch über die Delegierten

Wohl einer der größten Erfolge des Model United Nations: Eine der wichtigsten Fragen, die sich die Delegierten untereinander stellten war die nach E-Mail-Adressen, Facebook-und WhatsApp-Benutzernamen.

 

Mit einer eigenen Zeitung, den „FerMUN-News“, deren Reporter nicht nur über das politische Geschehen, sondern auch über den Klatsch über einzelne Delegierte berichteten, glich das Model United Nations zwar fast schon einer kleinen Welt für sich. Aber bei allem Spiel-Charakter: Womöglich tauchen einige der Lösungsansätze für reale Probleme eines Tages in der echten Politik wieder auf. Denn, wie der Präsident
der Hauptversammlung Tommaso Luisari sagte: „Leute,wir sind die Zukunft.

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