In Wirklichkeit bin ich gar nicht gut integriert

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Gülsün Cakmak möchte nicht nur als Migrantin wahrgenommen werden.

Von Gülsün Cakmak, 18 Jahre

Seit Kurzem gibt es viel Zuspruch für jugendliche Migranten. Der neunte Bericht über die „Lage der Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland“ belegt, dass die Kinder aus Zuwandererfamilien besser gebildet sind als früher. Immer mehr machen gute Schulabschlüsse. Per Definition bin damit auch ich gemeint. Tatsächlich fühle ich mich gut gebildet. Damit, dass ich, weil meine Familie aus der Türkei stammt, als Migrantin der zweiten Generation gelte, habe ich allerdings ein Problem. Das Wort ‚Migration‘ bedeutet so viel wie Wandern oder Umzug. Umgezogen bin ich bis jetzt nur ein einziges Mal in meinem Leben. Das war vor ein paar Jahren. Meine Familie verlegte ihren Wohnsitz von Kreuzberg nach Rudow.
Ich werde häufig gelobt, weil ich mich so vorbildlich integriert habe und eines Tages gerne als Polizistin arbeiten würde. Oft werde ich gefragt, weshalb ich kein Kopftuch trage. Die ziemlich banale Wahrheit ist: Ich habe mich nie auch nur im Geringsten integriert. Ich bin in Berlin geboren und aufgewachsen. Diese Stadt ist der einzige Ort, an dem ich mich zu Hause fühle. Muss ich etwa meine Haut bleichen lassen und mir die Haare blond färben, damit ich nicht als Migrantin angesehen werde?
Woher kommt dieses Bedürfnis nach der Unterscheidung? Unsere Generation ist mit zahllosen Integrations- und Migrationsdebatten groß geworden. In den Medien streiten sich alle Jahre wieder Menschen über dieses Thema, die meistens nur indirekt davon betroffen sind. Genau hier sehe ich den Fehler: Viele dieser Diskussionen sind eben keine wertvollen Dialoge, die wichtig sind, um zu klären, wie mit einer gesellschaftlichen Thematik umgegangen werden soll. Sie spalten häufig dauerhaft. Das ist ein Problem.
Damit das nicht falsch ankommt: Meiner Meinung nach sind Diskussionen um Migration nötig, weil sie aufdecken, wo Ausgrenzung stattfindet und wo es Probleme gibt. Doch ich möchte nicht, dass ich in meinem Alltag deshalb in erster Linie als Migrantin wahrgenommen werde. Selbst dann nicht, wenn ich damit jetzt auch offiziell als gut gebildet gelte.

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Kategorien Politik

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