Von Josephine Valeske, 16 Jahre
Bestimmte Nachrichten möchte man aus einem reichen Land wie Deutschland nicht hören. Etwa, dass ein Neunjähriger nicht Mitglied eines Sportvereins werden kann, weil seine Familie das Geld für Lebensmittel braucht, dass kostenlose kulturelle Veranstaltungen nicht besucht werden können, weil die Fahrkarten zu teuer sind, dass immer noch 50 Prozent der Kinder aus armen Familien später wieder arme Familien gründen werden. Eben diese Dinge zeigt nun jedoch eine Studie der Arbeiterwohlfahrt (Awo) auf. In verschiedenen Statistiken schwankt der Anteil der von Armut betroffenen Kinder zwischen sieben und 15 Prozent, je nachdem, welche Faktoren in Betracht gezogen werden.
Die Zahl ist jedenfalls beschämend hoch für ein Land, in dem Chancengleichheit herrschen sollte. In Berlin empfängt fast ein Drittel aller Minderjährigen Sozialhilfe, womit wir wieder einmal trauriger Spitzenreiter unter den Bundesländern sind. Allerdings gibt es hier auch besonders viele soziale Einrichtungen und Netzwerke, die den Kindern helfen sollen.
In den Berichten über die Awo-Studie geht jedoch ein Punkt fast immer unter, der nachdenklich machen sollte: Arme Kinder mit Migrationshintergrund schaffen häufiger den sozialen Aufstieg als solche, deren Familien aus Deutschland stammen. So besucht ein größerer Anteil der Erstgenannten Gymnasien, sie sind zufriedener mit ihrer Gesamtsituation und weniger häufig abhängig von Nikotin und Alkohol. Ein möglicher Grund sind stärkere Familienbande, sozialer Rückhalt und auch Religion – offenbar Dinge, die beim Thema Armut unterschätzt werden. Das Problem armer Kinder ist oft nicht nur das fehlende Geld, sondern die fehlende Motivation, aus eigener Kraft der Perspektivlosigkeit zu entkommen.
Die Studie zeigt also, dass es möglich ist, dem Kreislauf der Kinderarmut zu entkommen, wenn ausreichend soziale Strukturen vorhanden sind. Und sie ist ein Anlass, Meinungen über Familien mit Migrationshintergrund zu überprüfen und Vorurteile aufzugeben.