Die Kirche zensiert sexuelle Aufklärung

Bill Schneider will "Make Love" auch bei christlichen Buchhändlern kaufen können. Foto: Privat

Von Bill Schneider, 17 Jahre


Für uns Jugendliche ist es lächerlich leicht geworden, nackte Menschen anzugucken. Das Internet ist voll von Erotikseiten. Und Sex ist nicht nur in dieser expliziten Form allgegenwärtig. In der Werbung animieren Frauen mit unrealistischen Körperproportionen zum Kauf von Schnittkäse, Männer mit perfekten Oberkörpern preisen Lebensversicherungen an. In dieser Welt voller sexueller Anspielungen, in der Liebe und Sexualität beinahe zu etwas Banalem werden, kann es verwirrend und schwierig werden, wenn man tatsächlich in die Situation körperlicher Nähe gerät. Wie verhält man sich, wenn man zwar alles in Filmen gesehen und von Freunden gehört hat, aber das erste Mal selbst einen Menschen so intensiv berührt, wie man es vorher nur zu träumen wagte?


Dem Bedürfnis vieler Jugendlicher nach Antworten auf die Fragen, die von keinem Erotikfilm und auch in keiner Bio-Stunde beantwortet werden, kommen die Autorinnen Ann-Marlene Henning und Tina Bremer-Olszewski mit ihrem Aufklärungsbuch „Make Love“ nach. Nun hat der zweitgrößte Buchhändler Deutschlands, Weltbild, entschieden, das Buch nicht zu verkaufen. Weltbild ist ein Unternehmen, das zum großen Teil der katholischen Kirche gehört. Hat die Kirche ein Interesse daran, dass wir Jugendlichen in dieser verwirrenden Welt aus Schnell-Erotik und konsumierbarem Mitnehm-Sex alleingelassen werden? Das Buch setzt auf leicht lesbare, einfühlsame Texte und ungeschönte Fotografien von Menschen, die sich lieben: ob angezogen oder nackt im Bett, hetero- oder homosexuell, schlank oder kräftiger, jünger oder schon mit vielen Haaren auf der Brust. Die Bilder zeigen keine Superkörper in Wahnsinnsposen, wie wir sie aus den Medien kennen. Sie vermitteln ein ausgewogenes Bild von Sexualität und all dem, was dazugehört.


Wenn das kirchliche Werteverständnis die Betrachtung von Menschen als ganzheitliche Individuen tatsächlich einschließen will, ist die Entscheidung des katholischen Buchhändlers nicht nur zutiefst unchristlich, sondern auch unmenschlich. Sie zeigt, wie überholt die Vorstellungen der katholischen Kirche vom Leben sind.


Dürfen Händler Bücher einfach aus den Regalen verbannen? Diskutiert mit!

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Kategorien Politik

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