Klartext: Und plötzlich war doch Geld für die Jugendhilfe da



Vivian Yurdakul glaubt nicht an Zufall, sondern an Demonstrationen. Foto: Privat


von Vivian Yurdakul, 21 Jahre


Rathäuser sind Gebäude, in deren unzähligen Fluren, verwinkelten Gängen und versteckten Büros alles Mögliche verloren gehen kann – auch wichtige Formulare und Akten. Was jedoch der Neuköllner Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) am Mittwochabend der vergangenen Woche in seinem Amtssitz an der Karl-Marx-Straße gefunden haben will, schlägt alle verschütteten Verwaltungsvorgänge: Eine halbe Million Euro, verkündete Buschkowsky stolz, habe er plötzlich entdeckt. Geld, das dem Jugendetat des Bezirks zustünde. Durch diesen glücklichen Zufall stehen die aus finanziellen Gründen drohenden Kündigungen von Verträgen mit 46 freien Trägern der Jugendhilfe in Neukölln nicht mehr zur Debatte. Das ist erfreulich, denn die Jugendarbeit, die in Neukölln geleistet wird, ist wichtig und muss fortgesetzt werden.


Aber jetzt mal ehrlich: Es ist sehr wahrscheinlich, dass Buschkowsky die 500 000 Euro nicht zufällig in die Hände gefallen sind, als er seine Schreibtischschubladen aufräumte. Ihr Auftauchen könnte auch mit der Hartnäckigkeit von 300 Demonstranten zusammenhängen, die am Mittwochnachmittag vor dem Rathaus gegen die Vertragskündigungen protestierten. Es hätte Buschkowsky, der für sich in Anspruch nimmt, immer Klartext zu reden, gut zu Gesicht gestanden, einfach zuzugeben, dass die Demonstranten Recht hatten und er Unrecht.


Im Übrigen sollte erwähnt werden, dass die 500 000-Euro-Marke sogar überschritten worden wäre, wenn man sich einen vorsichtig ausgedrückt übertriebenen Polizeieinsatz gegen 300 friedliche Demonstranten gespart hätte und das Geld ebenfalls in den Jugendetat geflossen wäre.


Es bleibt zu hoffen, dass Buschkowsky aus dem Vorfall gelernt hat und die Kündigungen der Verträge nicht wieder auf der Agenda stehen, sobald die 500 000 Euro aufgebraucht sind. Falls doch, gibt es Grund zur Hoffnung: Die Rücknahme der Vertragskündigungen hat gezeigt, dass Demonstrationen tatsächlich etwas bewirken können. Das sollten wir uns gut merken. Buschkowsky sollte sich indes noch einmal auf die Pirsch begeben. Wer weiß, welche Gelder sich noch im Rathaus anfinden, wenn der Bürgermeister erst einmal sorgfältig in allen Schränken nachsieht.


Und wofür wollen wir als nächstes demonstrieren? Postet eure Ideen hier.

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Kategorien Politik

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