Und der Goldene Affe geht an …


Bereits zum vierten Mal vergibt die Jugendredaktion der Berliner Zeitung den Goldenen Affen. Foto: Raufeld/Heil


Die Jugendredaktion vergibt den so beliebten wie gefürchteten Preis für blamables Verhalten 2010


Ein ganzes Jahr lang haben wir stetig die Nominierungsliste für den Goldenen Affen 2010 erweitert, eine ganze Woche lang uns die Haare gerauft bei der Entscheidung über die Gewinner, damit ihr in ganzen zehn Minuten viel Spaß bei der Zeremonie haben könnt. Also Licht aus, Spot an, Trommelwirbel – der Goldene Affe 2010 geht an …


… Conrad Clemens: Als im Juli dieses Jahres das Neuköllner Columbia-bad wegen einer Schlägerei geräumt werden musste, forderte Conrad Clemens, Rudelführer der Jungen Union Berlin, dass man Freibäder nach solchen Vorfällen für eine Woche komplett sperren sollte. Ich würde Conrad Clemens ergänzen wollen und schlage deshalb vor, dass wir auch Kinos nach dem Vorführen schlechter Filme schließen. Oder auch den Druck von Zeitungen stoppen, wenn sich Fehler in einen Artikel einschleichen. Sonst gäbe es ja keinen Lerneffekt, das hat die Junge Union klug festgestellt. Wir finden, dass der Lerneffekt angesichts der Forderung zur Schließung eines Badebetriebes – ohne Rücksicht auf die Mitarbeiter und die Tausenden friedlichen Badegäste – nur lauten kann: Conrad Clemens ist affig. (Laudator: Fritz Schumann, 20 Jahre)


… Horst Köhler: Eigentlich ist der deutsche Bundespräsident nicht viel mehr als ein Maskottchen. Das wohl größte Machtinstrument des Präsidenten ist die Androhung seines eigenen Rücktritts. Praktisch hat das zwar wenig gravierende Folgen, es setzt aber ein deutliches Zeichen – wenn zum Beispiel ein Innenminister versucht, von allen Deutschen Fingerabdrücke zu nehmen, oder wenn die Polizeibeamten eines Bundeslandes plötzlich anfangen, mit ihren Wasserwerfern auf hilflose Demonstranten zu schießen. Horst Köhler hat noch einen besseren Grund für seinen Rücktritt gefunden. Weil er bezüglich seiner Äußerungen über den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr kritisiert wurde, warf er der Nation mangelnden Respekt gegenüber seinem Amt vor, hatte keine Lust mehr weiterzumachen und trat zurück. Nicht nur in den Augen von Baden-Württembergs Ministerpräsidenten war das „unnötig, überflüssig und völlig übertrieben“. (Laudator: Philipp Kay Köppen, 20 Jahre)


… Thomas Schreiber: Wie schön hätte es im kommenden Mai werden können: Friedrichshainer Elektro-Clubber liegen rumänischen Schlagersternchen in den Armen und fahren im Anschluss im Autokorso durch Berlin, um Lenas erneuten Sieg zu feiern. Doch dieses Szenario wird ein Traum bleiben. Denn die genialen ARD-Zuständigen haben entschieden, dass es viel sinnvoller ist, den Eurovision Song Contest aus Düsseldorf zu übertragen. Sicher, Düsseldorf mag mehr Geld und bessere Hallenvoraussetzungen haben. Aber Berlin ist die Hauptstadt, und mit ihrem guten Image hätten wir uns beim Eurospektakel auch präsentieren müssen. Unsere Wahl, den Goldenen Affen stellvertretend für alle Mitschuldigen an Thomas Schreiber zu vergeben, der bei der ARD für den Eurovision Song Contest 2011 verantwortlich ist, liegt auch in der großen Sorge begründet, dass womöglich einige europäische Fernsehzuschauer ab nächstem Frühjahr die Rheinmetropole für Deutschlands langweilige Hauptstadt halten. (Laudatorin: Sandra Queißer, 19 Jahre)


… die schwarz-gelbe Koalition: Am 26. November wurde die Neuregelung zur Verlängerung der Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke gebilligt. Für diesen Kniefall vor der Wirtschaft verleihen wir unseren Goldenen Affen. Von nachhaltiger Energiepolitik kann bei solchen Entscheidungen keine Rede sein. Der Übergang ins regenerative Zeitalter darf nach Befinden der Regierung wohl gern noch ein wenig warten. Schließlich war früher sowieso alles besser. Nur unseren Affen, den gibt’s erst jetzt. Glückwunsch. (Laudatorin: Marie-Lena Hutfils, 18 Jahre)


… Roland Koch: In Krisenzeiten muss gespart werden. Hessens ehemaliger Ministerpräsident (CDU) sprach sich im Mai dieses Jahres deshalb gegen jegliche Tabus beim Sparen aus. Selbst Bildungspolitik und Kinderbetreuung gehörten auf den Prüfstand, stellte er klar. Mit diesem lächerlichen – dürfen wir wagen, dummen zu sagen? – Vorschlag hat sich Herr Koch unseren Preis redlich verdient. Der Bildungssektor beansprucht den Bundeshaushalt mit gerade einmal rund zwei Prozent der Gesamtausgaben. An diesem vergleichsweise kleinen Posten sparen zu wollen, spricht nicht nur vollkommen gegen einstige Wahlversprechen, die eine „Bildungsrepublik“ bewarben. Vielmehr zeigt diese Idee auch das erschreckend kurzfristige Denken des Politikers. Dort zu sparen, wo es um die Zukunft von morgen geht, ist schlichtweg affig. Herzliche Gratulation, Herr Koch. (Laudatorin: Marie-Lena Hutfils, 18 Jahre)


… BP: Sage und schreibe fünf Monate hat der britische Ölkonzern gebraucht, um das durch die Explosion einer Ölplattform im Golf von Mexiko im April entstandene Bohrloch zu schließen. Fast 800 Millionen Liter Rohöl sind ins Meer geströmt, während BP emsig dabei war, Verantwortung hin- und herzuschieben. Um die Verbreitung des Öls an der Wasseroberfläche zu stoppen, setzte BP außerdem giftige Chemikalien ein, die das Öl im Meer zersetzen sollten – ungeachtet der Warnungen der Umweltbehörden. Der britische Ölriese ist für eine der schwersten Umweltkatastrophen verantwortlich, die das Ökosystem der Umgebung massiv geschädigt hat. (Laudator: Leo Gergs, 18 Jahre)


… die Programmplaner von VOX: So einen Goldenen Affen muss man sich hart verdienen, da reicht es meistens nicht, nur einmal im Jahr negativ aufzufallen. Der Fernsehsender VOX hat das gesamte Jahr über um den Goldenen Affen gekämpft. Und die Idee, 365 Tage lang fast ausschließlich 
Doku-Soaps und Reality-Shows über den Bildschirm zu jagen, ist diesen Preis wirklich wert. Besonders zu beglückwünschen ist jedoch der Verantwortliche für die Sendung „Daniela Katzenberger – natürlich blond“, in der man die Protagonistin, Tochter des Doppel-D-Promis und Big-Brother-Opfers Iris Klein, zwei Stunden in der Woche ihre zugegeben charmante Niveaulosigkeit verbreiten lässt. Vielleicht können wir uns schon auf das nächste Jahr freuen, wenn Jennifer Frankhauser, jüngere Schwester der selbsternannten „Kampfkatze“, ihre eigene Polittalkshow erhält, Kader Loth ihre neue Wissenschaftssendung präsentiert und man statt der Auswanderer bei VOX etwas ganz anderes verabschiedet: „Goodbye Niveau – Für immer weg“. (Laudator: Marius Estel, 15 Jahre)


Anmerkung der Redaktion:
Im vergangenen Jahr haben wir Thilo Sarrazin, der sich bereits 2008 einen Goldenen Affen sichern konnte, mit einem Sonderpreis für das Lebenswerk geehrt. Wir versprachen, ihm den Goldenen Silberrücken zu verleihen, falls ihn der Erhalt des zweiten Goldenen Affen auch 2010 wieder zu Höchstleistungen auf dem Gebiet der Taktlosigkeit, des Zynismus und der Menschenverachtung motivieren sollte. Wir alle wissen, wie sich Thilo Sarrazin in diesem Jahr selbst übertraf. Daher verzichten wir im Interesse aller auf die Verleihung des Goldenen Silberrückens. Wir glauben, er hört tatsächlich auf uns.

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Kategorien Politik

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