Klartext


Weniger Infos für mehr Gerechtigkeit


von Shirine Issa, 20 Jahre



Der Weg auf den Arbeitsmarkt beginnt immer mit einer Bewerbung. Jeder hat die Chance, sich auf ein paar Seiten vorzustellen und so gut wie möglich zu verkaufen. Dabei kann er mit guten Noten, Engagement oder besonderen Auszeichnungen punkten. Aber das sind nicht immer die Faktoren, auf die es den Personalchefs ankommt. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes nimmt an, dass Geschlecht, Alter und Nationalität bei Bewerbungen eine viel wesentlichere Rolle spielen, und das will sie ändern: In einem Pilotversuch sollen das Bundesfamilienministerium und fünf große deutsche Unternehmen ab Herbst ihr Bewerbungsverfahren anonym gestalten. Kein Foto, keine Geschlechtsangabe, nicht einmal mehr den Namen dürfen die Unterlagen enthalten. Eine gute Idee.


Ähnliche Projekte gibt es in Frankreich und in der Schweiz, in den USA ist das Bewerbungsverfahren schon seit den Sechzigerjahren anonym. Und Handlungsbedarf besteht auch in Deutschland durchaus: Nach einer aktuellen Studie des Instituts für Zukunft der Arbeit und der Universität Koblenz haben Bewerber mit türkischem Namen deutlich schlechtere Chancen als ihre Konkurrenten mit deutschem Namen. Sogar in der Schule ist Diskriminierung bereits in vollem Gange. So bekommen Schüler mit dem Namen Kevin schlechtere Noten als beispielsweise ein -Maximilian, wie Oldenburger Wissenschaftler kürzlich herausgefunden haben.


Deutschland ist weit davon entfernt, die gleichen Startchancen, für die sich die Politik einsetzt, auch tatsächlich garantieren zu können. Einigen Bewerbergruppen wie Müttern, Älteren oder Migranten wird der Einstieg in das Berufsleben schwerer gemacht als anderen. Aber niemand darf bevorzugt werden, nur weil er deutsch oder jung ist oder Sören heißt oder besonders schön lächeln kann. Auf dem Arbeitsmarkt sollte es allein um Qualifikationen gehen, nur dann lohnt es sich für alle, sich in der Schule anzustrengen.
Keiner ist frei von Vorurteilen, auch Personalchefs nicht. Daher sind anonyme Bewerbungen perfekt, um die Entscheider gar nicht erst in die unangenehme Situation zu bringen, von Klischees und Stereotypen beeinflusst zu sein. Das Projekt ist eine Chance, um aus alten Rastern auszubrechen und mit einem kompetenten bunten Personal neue Wege zu gehen. Ich jedenfalls bin auf das Ergebnis des Versuchs gespannt.

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Kategorien Politik

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