Streit außerhalb des Unterrichts

Auf einem neuen Blog diskutieren ein Schüler und sein Lehrer über aktuelle Themen aus Bildung und Politik

Normalerweise ist es ein Problem, wenn Lehrkräfte und Schüler auf Konfrontation setzen. Bei Robert Rauh und Nico Menzel gehört das zum Konzept.
Normalerweise ist es ein Problem, wenn Lehrkräfte und Schüler auf Konfrontation setzen. Bei Robert Rauh und Nico Menzel gehört das zum Konzept.

Ein Lehrer und einer seiner Schüler starten einen Blog zusammen. Ob ein Lehrer-Schüler-Verhältnis jemals so gut sein kann, dass ein solches Projekt funktioniert, fragt man sich unwillkürlich. Und ob es nicht trotzdem seltsam ist, so eng außerhalb des Unterrichts zusammenzuarbeiten. Bei Robert Rauh und Nico Menzel wirkt es, als sei das die normalste Sache der Welt. „Wir sind beide Menschen, die eine Meinung zu vielen Dingen haben und diese auch gern und offensiv vertreten“, sagt Lehrer Rauh über sich und seinen Schüler. Und oftmals – das stellten beide am Ende einer 90-minütigen Unterrichtsstunde fest, die Zwölftklässler Nico als pädagogische Strafe halten musste, weil er das Rauchverbot auf einer Klassenfahrt nach Rom nicht eingehalten hatte – sind sie unterschiedlicher Meinung bei Themen im Bereich Bildung und Politik.

Wer von ihnen die Idee hatte, diese Positionen auf einem Blog einander gegenüberzustellen, daran können sie sich nicht mehr erinnern. Am 2. Februar ging der erste Eintrag über die Abschaffung der Schreibschrift an finnischen Schulen auf der Internetseite halbtags-denker.de online. Robert Rauh, der Lehrer, argumentiert dagegen und Abiturient Nico, selbst mit einer schlechten Handschrift gestraft, dafür. Unterhaltsam werden die Kommentare auch, weil die Autoren mit ihrem Lehrer-Schüler- Verhältnis kokettieren. So etwa in der Einleitung von Nicos aktuellem Beitrag zur Bewerbung Berlins um die Olympischen Spiele: „Sie wollen also die Spiele, Herr Rauh? Es wundert mich, dass Sie der Berliner Senat nicht in seine Werbekampagne eingebunden hat. Nicht etwa, weil Sie als verjährter ‚Bester Lehrer Berlins‘ ein prominenter Hauptstädter wären, sondern weil die Zahl der Befürworter überschaubar bleibt. Der Slogan zur Berliner Olympia-Bewerbung ‚Wir wollen die Spiele!‘ ist irreführend, denn die Mehrheit der Berliner ist dagegen.“ Robert Rauh kontert: „Nico, das wäre ja echt ein Novum – wenn Sie mit der Mehrheit übereinstimmen.“

Ihre Themen besprechen sie in ihren Freistunden in der Cafeteria ihrer Schule, des Lichtenberger Barnim- Gymnasiums. Die Cafeteria-Chefin versorgt sie nicht nur mit Kaffee, sondern unterstützte sie auch mit dem ersten Like auf Facebook. Natürlich liegt der Gedanke nahe, dass die Mitschüler es schon ein wenig seltsam finden, wenn Nico seine Freistunden mit Herrn Rauh verbringt. Nico gibt zu: „Klar hatten wir anfangs Bedenken, es könnte Stimmen geben, die behaupten, dass ich ein Arschkriecher sei. Aber erfreulicherweiseist das völlig ausgeblieben.“ Im Gegenteil: Alle Schüler seien begeistert. „Es ist ja auch wirklich etwas, das es so noch nicht gab. Und – das betonen wir immer – wir sprechen bei unseren Treffen zum Blog über nichts Schulisches.“ Rauh versichert überdies, Nico habe auch gar nicht so gute Noten in Geschichte, dass die Mitschüler befürchten müssten, die Zusammenarbeit trüge für Nico Früchte auf dem Zeugnis. Nach dem Abitur in diesem Jahr plant Nico eine Ausbildung. Damit soll der Blog aber nicht enden. Die Autoren können sich eine Umbenennung vorstellen, aber feststeht: Sie wollen weiterdiskutieren.

Nico Menzels und Robert Rauhs Blog: www.halbtags-denker.de

Von Wiebke Reuschenbach, 23 Jahre

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