Das Stück „Mädchenorchester“ bringt ein unbekanntes Kapitel der Nazizeit auf die Bühne: die Frauenkapelle im Konzentrationslager Ausschwitz.
„Ich wollte Musik hören, bloß einen kurzen Moment.“ Die Augen der Schauspielerin sind verzweifelt nach vorne gerichtet. Die bedrückende Stimmung im Proberaum ist förmlich greifbar. 30 Darsteller und Musiker proben an diesem Dienstag für die Premiere ihres Theaterstücks. „Mädchenorchester“ soll sich einem bisher eher unbekannten Kapitel der Nazizeit widmen: der Arbeit der Frauenkapelle Auschwitz. Das war eine grausame Institution der NS-Offiziere, die ihnen „Entspannung“ und „Ausgelassenheit“ schenken sollte. Für die Frauen jedoch war es ein Spiel um Leben und Tod. Welche Gefühle solch ein Musizieren unter Todesangst ausgelöst haben muss, soll in einem Dialog zwischen Musik, Text und Spiel nun auf der Bühne erfahrbar gemacht werden.
Noch läuft es an manchen Stellen etwas holprig. Es sind jedoch auch nicht nur Profis am Werk. Denn den Produzenten der Künstlergruppe spreeagenten geht es gerade darum, professionelle Schauspieler und Musiker mit bühnenhungrigen jungen Menschen zusammenzubringen. Grundlage der Inszenierung stellt eine umfassende Recherche der Produzentin Susanne Chrudina dar. Neben der Arbeit mit historischen Dokumenten und dem Besuch des Lagers steht sie auch im direkten Kontakt mit den beiden letzten Überlebenden des Orchesters: Anita Lasker-Wallfisch und Esther Bejarano.
„Mädchenorchester“ zeigt die Absurdität des Frauenorchesters in Ausschwitz
Aufgrund des Gedankens „man kann Auschwitz nicht nachschreiben“, baut das Manuskript hauptsächlich auf Zitaten der gefangenen Musikerinnen auf. Der musikalische Part vereint neue elektronische Harmonien mit dem damaligen Originalprogramm des Frauenorchesters Auschwitz. Harte, brutale Worte treffen in geradezu absurden Szenerien auf sanfte Töne. „Sterben war wie Zähneputzen“, und im Hintergrund spielt das Orchester das erheiternde Sonntagskonzert.
Die jungen Schauspieler und Musiker erleben eine ganz neue Art des Musizierens. „Die Musik wird zu einer Art Flucht“, sagt der junge Cellist Tobias. „Ich denke, die Menschen konnten sich in frühere schöne Momente, die Erinnerungen ans freie Musizieren, fliehen und das Drumherum etwas vergessen.“
Am Donnerstag feiert „Mädchenorchester“ im Heimathafen Neukölln Premiere. Im November wird das Stück als Gastspiel nach Auschwitz gehen, für viele der Darsteller eine noch nicht wirklich greifbare Vorstellung. Jadel macht gerade Abitur. Vor einem Jahr war er bereits mit der Schule in Auschwitz. Aber ihm ist bewusst, dass es dieses Mal anders sein wird.
Alle Informationen gibt es auf www.heimathafen-neukoelln.de