Sänger Maurice Ernst von der Band Bilderbuch
Sänger Maurice Ernst von der Band Bilderbuch
Interview

Maurice fliegt mit Bilderbuch in eine andere Galaxie

Auf „Vernissage My Heart“ herrscht die Hippiestimmung.

Es freut ihn, dass sein Land mit dem Radler von Gösser einen Beitrag zur deutschen Hauptstadtkultur leisten kann. Dabei könnte Bilderbuch-Sänger Maurice Ernst doch ganz andere Dinge anführen, für die wir den Österreichern zu danken haben. Schließlich macht die Band den aufregendsten Pop seit Langem und schenkt den Fans in diesem Winter gleich zwei Alben. Nach der Dezember-Veröffentlichung „Mea Culpa“ erscheint an diesem Freitag „Vernissage my Heart“. Ab April geht’s auf Tour. Doch zunächst lud Maurice uns in einem Kreuzberger Hotel zum Interview – wie schon vor zwei Jahren.

Ein paar Posts auf Instagram und schwups – war im Dezember aus heiterem Himmel das Album „Mea Culpa“ veröffentlicht. Klär uns auf, was steckte dahinter?
Klassische Marketingkampagnen sind einfach nicht mehr zeitgemäß – dafür anstrengend und nervig. Heute wird anders verkauft als vor 30 Jahren. In den USA passiert das häufiger, ist beinahe schon normal, dass du ohne Tamtam deine Musik veröffentlichst. Hier hat sich das kein deutschsprachiger Künstler vorher getraut, aber glaub mir, das entwickelt sich jetzt. Ich bin jedenfalls happy.

Am 22. Februar kommt die neue Platte „Vernissage My Heart“. Wird es das heiß erwartete Hitalbum à la „Magic Life“, und „Mea Culpa“ war die Vorstudie mit Songs, die nicht raufpassten?
Da hast du falsche Vorstellungen von diesem ganzen Schaffungsprozess. (lacht) Wir haben so viele Songs kreiert und dann zugeordnet, was thematisch und von der Stimmung her miteinander harmoniert. Vielleicht erhoffen sich das aber einige Fans. Das sind vermutlich die, die uns durch die „Hits“ kennenlernten.

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Kommen sie trotzdem auf ihre Kosten?
Um ehrlich zu sein, haben wir uns um die jetzt gar keine Gedanken gemacht. Vielleicht beim nächsten Mal. Nur um an den Erfolg anzuknüpfen, werden wir aber nicht unsere eigenen Songs kopieren. Das wäre eine Strafe für mich. Du entwickelst dich dann ja überhaupt nicht. Einfach fad.

Das ist mittlerweile die sechste Platte in 14 Jahren Bandgeschichte. Sind da nicht Dopplungen programmiert?
Sag doch so was nicht! Wir sind vom Alter her zwischen 26 und 30, das ist geil, wir haben noch so viel Zeit. Aber wenn ich recht überlege, kann so was natürlich passieren.

Wir sind quasi musikalisch erwachsen geworden und das ist so ein berauschendes Gefühl.

Maurice Ernst, Bilderbuch

Bei euch muss man ja mit allem rechnen. Was ich mich frage: Macht ihr euch wirklich über keinerlei Grenzen einen Kopf?
Wir machen uns schon Gedanken, so ist’ nicht. Bevor du zum Beispiel einen Song über Religionen und Mohammed rausbringst, musst du dich fragen, ob du gerade ein krasser Künstler bist oder einfach nur respektlos. Ich war auf einer Klosterschule, habe mich also mit dem Thema auseinandergesetzt und singe da nicht einfach leichtfertig. „Magic Life“ wollte von der Gesellschaft akzeptiert werden, da war das präsenter. Davon haben wir uns komplett befreit. „Mea Culpa“ war sehr intim, da zählte endgültig keine Meinung von außen mehr. Wir sind quasi musikalisch erwachsen geworden und das ist so ein berauschendes Gefühl. „Vernissage My Heart“ ist irgendwo dazwischen. Es herrscht diese Hippiestimmung: Wenn hier alles den Bach runtergeht, fliegen wir mit unserem Ufo in eine andere Galaxie. Wunderschön naiv.

Die Band Bilderbuch
Maurice fliegt mit Bilderbuch in eine andere Galaxie. (c) Hendrik Schneider

Wird es mutig?
Vielleicht nicht textlich. Aber musikalisch in jedem Fall. Beim Hören des Albums haben wir uns gefragt, ob die Musik in Zukunft noch weiter reduziert wird. Alle haben sich angestrahlt und entschieden: Auf jeden Fall!

Stimmt es, dass 2019 nur wenige Festivals auf eurem Plan stehen?
Als Headliner wird vertraglich eine gewisse Exklusivität festgelegt. Das bedeutet, dass du in den nächsten zwei bis drei Monaten im Umkreis von vielleicht 500 Kilometern keinen weiteren Festivalauftritt machst. Im deutschsprachigen Raum kann das ziemlich eng werden. Trotzdem haben wir zusammen mit der Tour mehr als 40 Shows. Und die Zeit im Studio ist die, die deine Musik weiterbringt.

Auf was dürfen sich die Fans freuen?
Keine Ahnung … Ich freue mich aber am meisten auf „Checkpoint“. Während der Proben laufen vor meinem inneren Auge Bilder ab, wie alle im Chor singen, und ich bekomme richtige Gänsehaut. Das ist vermutlich ein verkannter Hit.

„Vernissage My Heart“ ist noch so topsecret, es wird gemunkelt, dass einem die Hände abgehackt werden, wenn man es weitergibt.
Tja, in Zeiten, in denen digital immer alles sofort verfügbar ist, muss man sich schützen. Dann müssen da eben auch mal Reporterkörperteile dran glauben. (lacht)

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Kategorien Interview Kultur Musik Spreewild

Statt Netflix verfolge ich Konzerte. Ich (20 Jahre) brauche keine Sojamilch, sondern guten Kaffee. Mein Yoga ist es, auf viel zu vielen Hochzeiten gleichzeitig zu tanzen. Dabei ist der Eisbär mein Patronus, den meine Eltern mir mit sieben Jahren einfach nicht als Haustier erlaubten. Aber wenn eine Idee von der Außenwelt für verrückt erklärt wird, dann muss sie erst recht verwirklicht werden, und eben jene Personen mit Mut und außergewöhnlichen Gedanken sind es, von denen die Welt wissen sollte. Was kann ich da sinnvolleres tun, als für Spreewild zu schreiben? Die Verhandlungen um den Eisbären laufen jedenfalls weiter.