Noah Klaus
Noah Klaus slammt für Berlin beim SLAM 2019.
Interview

SLAM 2019: Noah Klaus vertritt Berlin bei den deutschsprachigen Poetry-Slam-Meisterschaft

Rund 150 Wortpoeten weilen gerade in Berlin um sich bei den 23. deutschsprachigen Meisterschaften im Poetry Slam zu messen. Morgen starten die ersten Vorrunden, Am Samstag wird schließlich das große Einzelfinale im Tempodrom ausgetragen. Für Berlin tritt Noah Klaus an. Wir haben ihn vorab gesprochen.

Du trittst für Berlin an der deutschsprachigen Meisterschaft im Poetry Slam teil. Hast du einen Heimvorteil, weil du die Berliner Slam-Szene schon gut kennst?
Das kann man schon so sagen. Ich bin natürlich gewöhnt an diese Locations, anders als die Leuten die aus der Schweiz oder Baden-Württemberg kommen. Ich weiß, wo ich auftrete und habe schon eine längere Bindung zum Berliner Publikum aufgebaut. Ich weiß ein bisschen mehr, was dem jungen, hippen Kreuzberger Publikum gefällt. (lacht) Allerdings vermute ich, dass die Meisterschaften auch andere Zuschauergruppen anziehen werden, wodurch sich mein Heimvorteil verringert.

Bereitest du dich dementsprechend auch anders auf diesen Auftritt vor und wählst einen Text, der nicht nur auf das Kreuzberger Publikum zugeschnitten ist?
Ne, ich kann meine Texte und übe die natürlich, damit die Performance sicher ist. Aber den Raum lesen, kann ich erst, wenn ich da bin. In der Textauswahl bin ich auch relativ begrenzt, weil ich schon bei vielen deutschsprachigen Meisterschaften mitgemacht habe und man darf nicht einen Text zweimal vortragen. Das soll verhindern, dass jemand einmal in seinem Leben einen Brechertext schreibt und damit mehrere Meisterschaften gewinnt. Das ist ein bisschen wie so ein Stachel im Arsch, dass man etwas Neues schreiben, innovativ bleiben muss, sonst schafft man es halt im nächsten Jahr nicht. (lacht)

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Wie hast du es denn geschafft, dich für die diesjährige Meisterschaft zu qualifizieren? Stellt jedes Bundesland einen Kandidaten?
Das ist historisch gewachsen. Es gibt eine Art Schlüssel: Jeder Slam meldet sich an und gibt ein paar Parameter an – zum Beispiel, wie viele Zuschauer kommen, wie oft die Veranstaltung stattfindet und wann man zum letzten Mal jemanden für die Meisterschaften schicken durfte. Manche Slams lassen dann die Gewinner der Saison nochmal gegeneinander antreten und entscheiden so. Oder die Slam-Master legen selbst fest, wer die Saison geprägt hat, wer ihr bestes Pferd im Stall ist – so wie beim „Bastard Slam“.

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Beim Poetry Slam tritt immer eine Gruppe Poet*innen gegeneinander an, das Publikum oder eine Jury muss am Ende einen Gewinner küren. Gibt es deswegen eigentlich ein besonders starkes Konkurrenzverhalten?
Einer der amerikanischen Gründervater hat immer gesagt: „The points are not point, the point is poetry.“ Das fasst es ein bisschen zusammen. Wir veranstalten hier diesen Zirkus, damit das Publikum sich ein bisschen an seiner eigenen Macht aufgeilen kann, aber eigentlich sollte es darum gehen, dass wir alle Texte vortragen und auf der Bühne stehen. Aber man darf natürlich kein total selbstverliebter Mensch sein. Man muss immer wieder damit umgehen können, dass es dem Publikum auch mal nicht so gut gefällt. Manchmal haben eben andere die Nase vorn, damit muss man umgehen können.

„Meine Texte sind erst nach dem sechsten oder siebten Vortragen richtig fertig.“

Noah Klaus, Berliner Slam-Poet

Wann hast du angefangen, eigene Texte zu schreiben?
Ich bin zum ersten Mal 2012 aufgetreten. Dann bin ich nach Berlin gezogen und hier habe ich erst richtig angefangen, das regelmäßig zu machen. Geschrieben habe ich natürlich schon vorher, aber das waren eher so Teenie-Gedichte. (lacht) Slam ist so intensiv, eine ganz eigene Form, weil man im Prinzip jeden Text in einen Resonanzraum stellen kann. Man bekommt sofort Feedback vom Publikum. Deswegen ist ein Text von mir auch erst nach dem sechsten oder siebten Mal vortragen so richtig fertig.

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Wie kann man sich denn deinen Alltag als Poet so vorstellen?
Für mich ist Poetry Slam eher eine Nebentätigkeit, die doch schon sehr viel Einfluss auf mein Leben hat. Aber es ist nicht so, dass ich keine Zeit mehr für was anderes hätte. Wenn ich auf Tour bin, kann es schon mal sein, dass ich aufstehe und direkt zum Zug gehe, weil ich sechs Stunden nach Stuttgart fahren muss. Dann trete ich abends dort auf, gehe danach noch einen trinken mit den Leuten und schlafe dann im Hotelzimmer. Das kann schon sehr anstrengend sein, weil es einen aus dem eigenen Alltag rausreißt. Wenn ich in Berlin bin, habe ich eigentlich den Tag über viel Zeit, etwas anderes zu machen. Ich war auch die meiste Zeit meiner Slam-Karriere nebenbei noch Student. Und abends geht’s dann los zum Auftritt. Zwischendurch bin ich auch sehr viel im Büro: Rechnungen schreiben, Veranstaltungen planen. Ich organisiere selbst noch den „Kreuzberg Slam“. Und dann muss man ja noch irgendwann seine Texte schreiben. Das passiert bei mir meistens nachts. (lacht)

Verfolgst du mit deinen Texten eigentlich eine bestimmte Absicht?
Natürlich hat jeder seine eigene Poetik. Für mich ist die Königsdisziplin gleichzeitig zu unterhalten und Kritik zu üben. Ich habe natürlich schon irgendwie den Anspruch, dass die Leute, die abends zur Veranstaltung kommen, auch Freude haben. Aber ich versuche gleichzeitig darauf zu achten, dass das nicht abgleitet in so ein billiges Gejohle. Der deutsche Poetry Slam ist oft eine Mischung aus amerikanischer Comedy und der englischen Speaker‘s Corner. Man hat einen offenen Raum, in dem jeder sprechen kann und der wird eben auch zum Teil für politische Botschaften genutzt. Das ist auch gut so und sollte auch so bleiben. Und ich beteilige mich daran.

Karten für die Vorrunden, das Team-Finale sowie das Einzelfinale gibt es online unter www.slam2019.de und an der Abendkasse. Die Veranstaltungen finden in mehreren Berliner Clubs, dem Admiralspalast und im Tempodrom statt. Es treten 150 Poet*innen aus Deutschland, Österreich, Schweiz, Luxemburg und Südtirol an.

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Wenn ich, 22, eine Top 5-Liste mit Sätzen, die ich in den vergangenen drei Jahren am häufigsten gehört habe, aufstellen würde, wäre „Was wird man denn so nach einem Geschichtsstudium?“ ganz weit oben vertreten. Zum Glück habe ich mittlerweile eine Antwort darauf gefunden: Journalistin. Darauf gekommen bin ich durch das Lesen von Harald Martensteins Artikeln, der selber Geschichte studiert hat. Von ihm habe ich auch meinen neuen Zukunftsplan: einfach immer schreiben. Genau das mache ich jetzt hier bei Spreewild, nachdem mir mein Praktikum in der Jugendredaktion so gut gefallen hat.