Überbleibsel der Mauer: Plaketten auf dem Boden erinnern an die Teilung

Von Berlin nach Berlin geflohen

Mila (23) wollte mehr über die deutsche Teilung wissen. In ihrem Podcast spricht sie mit Geflüchteten, die von Ost- nach West-Berlin geflohen sind.

In der Schule wird zu wenig über die deutsche Teilung gesprochen, findet Mila Weidelhofer. Deshalb trifft die 23-Jährige Menschen, die von Ost- nach West-Berlin geflohen sind. Die Gespräche hält sie im Podcast „Von B nach B“ fest, der jeden Monat im Offenen Kanal Berlin gesendet wird.

Wie bist du auf die Idee zum Podcast gekommen?

Eine Kollegin bei meinem Studentenjob hat im Gespräch erwähnt, dass sie „rübergemacht“ hat und ich wusste nicht, was das heißt. Ich komme aus Hannover, hatte dazu keine direkte Beziehung, habe also nachgehakt. Dann hat sie mir erzählt, dass sie mit 22 nach West-Berlin geflohen ist. Die Geschichte hat mich sehr berührt – sie wird auch noch bei „Von B nach B“ vertont. Ich konnte mir absolut nicht vorstellen, wie jemand aus seiner Heimatstadt flieht, einfach um frei zu sein, und wie brutal das ist. Da wurde mir bewusst: Mila, du bist 23 und du weißt nichts über die Stadt, in der du lebst. Wie bei allen Menschen, die halbwegs wissbegierig sind, habe ich mich auch ein bisschen geschämt, dass ich so wenig darüber wusste. Weil ich dachte, es geht mich so viel an. Klar, ich habe die Zeit nicht aktiv miterlebt, aber ich möchte darüber erzählen und ich möchte, dass künftige Generationen wissen, dass es mal zwei Teile von Deutschland gab.

Tatsächlich wird oft gemahnt, dass Schüler zu wenig über die deutsche Teilung lernen. Wie war das bei dir?

Ich hatte das Gefühl, dass meine Lehrer vorausgesetzt haben, dass wir das wissen, denn sie sind ja damit aufgewachsen. Sie haben nicht so aufgeklärt, wie ich mir das gewünscht hätte. Das werde ich auch nicht können. Ich möchte die Geschichten für mich erfahren.

Wie erfährst du von den Geschichten?

Es gibt in Berlin eine Zeitzeugenbörse. Die Zeitzeugen haben sich selbst dort registriert, sind also bereit, darüber zu sprechen. Ich versuche niemanden vors Mikrofon zu zerren. Manchmal kommen auch zwei Leute zusammen. In der aktuellen Folge hat sich die Zeitzeugin selbst gemeldet und hatte ein großes Redebedürfnis, weil ihre Kinder und Enkel sie überhaupt nicht befragt haben. Ihre Familie kennt also die Fluchtgeschichte nicht. Sie hat gesagt, es interessiere sie nicht – und das hat sie ziemlich verletzt.

Wie reagieren deine eigene Familie und deine Freunde?

Leute in unserem Alter sind total offen und merken im Gespräch meist, wie wenig sie darüber in der Schule gelernt haben. Von der älteren Generation wurde ich aber auch schon gefragt, warum ich das mache, das sei doch vorbei. Da habe ich manchmal das Gefühl, es wird verdrängt. Gerade Menschen, die im Osten aufgewachsen sind, finden das interessanterweise toll.

Anfang des Jahres diskutierten Bildungspolitiker über Schüleraustausche zwischen Ost und West und ob die Erinnerung Grenzen reproduziert. Wie stehst du dazu?

Es regt den Diskurs an. Dadurch, dass nicht viel darüber gesprochen wird, ist es ein Tabu-Thema. Es hilft nicht, nicht darüber zu berichten. DDR und BRD waren zwei Länder. Sie sind wiedervereint, das ist großartig. Was Menschen auf sich genommen haben, um in Freiheit zu leben, das möchte ich darstellen. Ich finde es gut, dass mehr darüber gesprochen wird. Und zwar nicht, um eine Grenze zu ziehen, sondern um die ehemalige Grenze aufzuzeigen und damit auszulöschen.

Nächste Folge: 4. Mai, 16 Uhr, Offener Kanal Berlin. Milas Podcast findet ihr auf Soundcloud. Wenn ihr selbst Geschichten habt, die ihr erzählen möchtet, meldet euch einfach bei Mila per Mail!

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Kategorien Kultur Medien

„Wenn Sie Journalistin werden wollen, sind Sie in diesem Studiengang falsch“, hörte ich im ersten Semester nicht nur einmal. Trotzdem habe ich mittlerweile, mit 22, meinen Abschluss – und arbeite stetig daran, den Zweiflern das Gegenteil zu beweisen. Denn das Schreiben lasse ich mir nicht mehr wegnehmen. Es ersetzt für mich rauschzustandsauslösende Substanzen, es ist mein Ventil, wenn die Gedanken zu laut schreien und kein Platz für ekstatisches Tanzen ist. Schreiben kann ich über all das, wonach niemand fragt, was im Gespräch niemand von mir wissen will. Am spannendsten ist aber, anderen Menschen zuzuhören und ihre Geschichte zu erzählen.