„Das Heimatkleid“ im Grips-Theater: Von Gewalttätern und Modeopfern

Kleider machen Leute? In dem sehenswerten Stück „Das Heimatkleid“, das gerade unter der Regie von Tim Egloff im GRIPS Theater Podewil angelaufen ist, geht es um Rassismus, Gewalt und einen Fashionblog.

Von Tanja Ransom

Jemand hämmert gegen die Wohnungstür mit dem Briefschlitz. Früher hatte sich Claire oft gewundert: „Betrifft mich das?“ Jetzt stellt sich die Frage nicht mehr. Al Sayid, der fremde Mann, steht in Claires Badezimmer. Er blutet.

Kirsten Fuchs Stück „Das Heimatkleid“ handelt von der hochaktuellen Debatte rund um das Thema Fremdenfeindlichkeit. Es geht darum, im Geschrei linker und rechter Parolen, verführerisch gesäuselter Halbwahrheiten und dem wohligen Rauschen des Alltags die eigene Stimme zu finden. Und diese auch zu erheben.

Im Mittelpunkt steht dabei die junge Studentin Claire, die sich nie sonderlich für Politik interessiert hat. Alles ändert sich, als Claire in die Wohnung ihrer verreisten Schwester zieht, sich vorrübergehend um deren Angelegenheiten kümmert, um Schäferhund „Flocke“ und den Fashionblog „Modeopfer“ betreut.

Plötzlich ist Claire mittendrin: In einer Hausgemeinschaft, in der es „uns“ und „die“ gibt. In Verstrickungen aus Anfeindungen, menschenverachtenden Ideologien und Vorurteilen. Und dann ist da noch die Sache mit dem Kleid. Hellblauer Stoff, Tüll, rote Bänder aus Satin. Das wunderschöne, verdammte, deutsche Kleid, mit dem alles irgendwie zusammenhängt …

Zur Inspiration für „Das Heimatkleid“ dienten unter anderem die Marke „Deutsches Gewand“, deren Schöpfer Verbindungen zur rechtspopulistischen Parteien pflegen und es sich zur Aufgabe gemacht haben, das „deutsche Volk“ hip einzukleiden.

Szenisch packend, mit Anspruch und Witz inszeniert

Auf der Bühne im Podewil steht während der etwa 60-minütigen Vorstellung nur Schauspielerin Katja Hiller, die neben Claire auch andere Charaktere verkörpert. Im Hintergrund: das überdimensionale Gesichts von „Flocke“, dem Schäferhund. Loyal. Schützend. Beängstigend. Deutsch. Mit wenigen Mitteln entsteht so eine stimmige Atmosphäre. Das ist auch dem Gitarrenspiel von Johannes Gehlmann zu verdanken, das sich packend in die einzelnen Szenen fügt und Hillers pointiertes Spiel und Timing untermalt.

Apropos Timing. Dass „Das Heimatkleid“ am 24. September, dem Sonntag der Bundestagswahl Premiere feierte, war kein Zufall: An diesem Abend lud das GRIPS Podewil nach der Aufführung zum Austausch und zur gemeinsamen Wahlparty.

Klare Antworten, unbequeme Fragen

Ohne sich selbst ganz von ihnen zu lösen, spielt das Stück immer wieder mit Stereotypen und Klischees, durchbricht sie zeitweise auch. Zum Beispiel, wenn Claire überlegt, ob ihr Nachbar – charmant, attraktiv, sozial engagiert – auch ein guter Mensch sein könnte, selbst mit rechtem Weltbild. Oder wenn sie hinterfragt, wieso das Wörtchen „ …, aber“ in weiten Teilen der Gesellschaft inzwischen auf dem Nazi-Index gelandet ist.

Zwar ist es letzten Endes dann doch wieder ganz einfach. Klare Antworten. Täter und Opfer. Gut und Böse. Das ist gewiss dem jungen Publikum geschuldet. Dennoch greift „Das Heimatkleid“ die Komplexität der Thematik beeindruckend leicht auf. Ein Stück, das anregt. Zum Lachen, Grübeln und Diskutieren.

Spielzeiten:

  • Sonntag, 1.10.17, 19.30 Uhr
  • Montag, 2.10.17, 19.30 Uhr
  • Dienstag, 3.10.17, 18 Uhr
  • Schulpremiere: Mittwoch, 4.10.17, 11 Uhr

im Podewil (zweit Spielstätte des GRIPS)

Weitere Infos zu den Spielzeiten gibt es hier.

Tickets:

14 Euro, 9 Euro ermäßigt, 5, 50 Euro mit „Theater-der-Schulen“-Schein

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Kategorien Kultur Theater

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