Die besetzte Volksbühne von außen.
Was hat es mit VB61-12 auf sich?

Alles nur ein Spiel? Warum hat VB61-12 die Volksbühne wirklich okkupiert?

Mehr als vier Tage schon wird die Berliner Volksbühne von einem linken Künstlerkollektiv, VB61-12, okkupiert. Ob sie das weiterhin dürfen und was genau die Volksbühne damit zu tun hat, ist nicht ganz klar.

Montagabend, 18.30 Uhr. Schon vor einer halben Stunde sollte das sogenannte Strukturplenum beginnen, doch man sucht noch nach einem Protokollanten oder einer Protokollantin. „Wir werden mit dem Plenum nicht beginnen, bevor sich nicht jemand gefunden hat“, droht die Moderatorin triumphierend, denn um sie herum haben sich sicher 50 Leute versammelt, die gespannt sind, was es Neues gibt. Neues über die Volksbühne. Über ihre Besetzung. Über eine mögliche Räumung. Wie geht es weiter?

Schon seit vergangenem Freitag ist die Volksbühne Berlin besetzt. Ein anonymes linkes Künstlerkollektiv mit dem Namen VB61-12, auch als „Staub zu Glitzer“ mehr oder weniger bekannt, zog nach monatelanger Planung in das Schauspielhaus am Rosa-Luxemburg-Platz ein. Hier finden nun täglich, alternativ zum eigentlichen Spielplan, Performances, Lesungen, Gastvorträge und Konzerte statt, am Samstag sogar eine Party, organisiert durch das Kollektiv.

Die Titel der einzelnen Happenings zeigen deutlich, worum es bei der Besetzung überhaupt geht: Das Filmscreening mit dem Thema „Studentenstreik gegen Studiengebühren“, der Vortrag „Einführung in die Marx’sche Kapitalismuskritik“ oder auch die Diskussion unter dem Titel „Is this a Revolution we can dance to?“, die alle auf dem gestrigen Spielplan standen, schreien laut: Wir wollen ein besseres Berlin! Gegen soziale Ungerechtigkeit, Kommerzialisierung, die momentane Flüchtlingspolitik und vor allem gegen Gentrifizierung protestiert VB61-12 hier unter anderem.

Dercon als Symptom von Kritiklosigkeit, Mainstream und Profitgeilheit.

Auch der neue Intendant, Chris Dercon, soll einer der Gründe für die Einrichtung dieses „Anti-Gentrifizierungszentrums“ sein. Zwar stellte das aufmüpfige Künstlerkollektiv klar, dass es nicht um ihn als Person ginge, dennoch suggerierten sie, er sollte das „inhaltslose Eventtheater“, als welches sein Programm an der Volksbühne schon vor der Besetzung dieser von verschiedenen Seitem bezeichnet wurde, weiterhin in Tempelhof stattfinden lassen oder noch besser, sich dem Künstlerkollektiv anschließen. Dercon als Symptom von Kritiklosigkeit, Mainstream und Profitgeilheit.

Aber reicht tatsächlich Dercons Spielplan allein aus, um gerade die Volksbühne zu okkupieren? „Warum hier?“, fragen sich viele. Das Kollektiv sieht den Ort als Symbol der Stadtentwicklung, die ihnen gegen den Strich geht. Sie selbt schreiben: „Die Bühne ist der Ort des Theatralen und die Mittel unserer Auseinandersetzung sind ebenso theatral.“ Auch eine freiwillige Helferin, die Neugierigen Auskunft gibt, meint: „Es hätte auch irgendein anderes Theater sein können. Aber die Volksbühne hat sich eben bereit erklärt.“

Protest oder Performance?

Aber sind nicht Dercon und sein Team die Volksbühne? So richtig versteht es keiner. Ist das nicht doch weniger Protest, sondern viel mehr eine (von der Volksbühne inszenierte?) Performance und Dercon damit gar nicht so mainstream? Die Verwirrung ist maximal, das Bewusstsein für die thematisierten Probleme auf den Aushängen in und vor der Volksbühne aber ebenso.

Auch der Titel der gestrigen Diskussionsrunde „Strukturplenum“ ist ein bisschen Programm. Nach den ersten 15 Minuten, in denen es ausschließlich um die Struktur des Strukturplenums ging, bricht eine Frau um die 60, vermutlich Teil des Kollektivs, die zuvor strukturierten Diskussionsregeln, fällt der Moderatorin krächzend ins Wort und echauffiert sich „Struktur entsteht durch Inhalt!“. Irgendwie hat sie recht. Ein effektives Vorankommen scheitert hier tatsächlich ein bisschen an der Metadiskussion.

Ist das vielleicht Absicht? Ein Stilmittel, das zeigen soll, wie wichtige stadtentwicklungspolitische Themen behandelt werden? Mit viel Gerede und wenig Inhalt? Ein Teil der Performance.

Gestern fand jedenfalls, das erfährt man zumindest, entgegen der Absprachen, kein weiteres Treffen mit Chris Dercon oder Kulturstaatssekretär Klaus Lederer von der Linken statt. Somit gibt es auch keine Neuigkeiten darüber, ob VB61-12 gehen muss oder bleiben kann. Also ist abwarten angesagt. „Das ist ja erstmal was Positives!“, sagt ein Mitglied des Kollektivs und die Runde lacht.

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