Gefängnistheater Aufbruch "ROBERTO ZUCCO" Premiere: 13.3.2017 in der JSA Berlin Plötzensee Copyright (C) Thomas Aurin Gleditschstr. 45, D-10781 Berlin Tel.:+49 (0)30 2175 6205 Mobil.:+49 (0)170 2933679 Veröffentlichung nur gegen Honorar zzgl. 7% MWSt. und Belegexemplar Steuer Nr.: 11/18/213/52812, UID Nr.: DE 170 902 977 Commerzbank, BLZ: 810 80 000, Konto-Nr.: 316 030 000 SWIFT-BIC: DRES DE FF 810, IBAN: DE07 81080000 0316030000

Aus der Zelle auf die Bühne: Inhaftierte der Jugendstrafanstalt Berlin führen Koltès’ „Roberto Zucco“ auf

Es hat eine gewisse Ironie, dass das Gefängnistheater ein Kriminalstück auf- führt. Die Inszenierung beweist jedoch: Kultur hinter Gittern funktioniert.

Gelächter und Gejohle hinter den Kulissen. Als die Lichter ausgehen, wird es still. Kurze Zeit später stehen 15 junge Männer auf der Bühne der Jugendstrafanstalt Berlin und deklamieren im Chor ihren Text – abgehackt, laut, kraftvoll. Im Verlauf des Stückes lösen sich die unterschiedlichsten Charaktere aus dieser Masse heraus. Während die Schläger in der Kneipe beinahe authentisch wirken, erstaunt es, wie gefühlvoll einer der Insassen ein junges, verschüchtertes Mädchen spielt.

„Roberto Zucco“ von Bernard-Marie Koltès ist das elfte Stück, das das Gefangenentheater der Strafanstalt aufführt. Inspiriert von einem realen Kriminalfall, handelt es von einem Mann, der seine Eltern tötet, verhaftet wird, ausbricht und weiter vollkommen willkürlich mordet. „Ich zerquetsche die anderen Tiere nicht aus Bosheit, sondern aus Versehen, weil ich sie nicht gesehen habe“, erklärt Zucco am Ende des Stücks, ganz ruhig, als wäre nichts dabei.

Initiiert wurden die Vorstellungen von aufBruch, einem Berliner Theaterprojekt, das seit 20 Jahren in vier Berliner Haftanstalten aktiv ist. „Was mich fasziniert, ist der Raum“, erklärt Regisseur Peter Atanassow. Auch die Handlung sei mit den Biografien der Darsteller verknüpft, die nicht selten früher selbst Opfer von Gewalt waren. „Man spielt den Tiger, vor dem man selbst Angst hat“, so Atanassow.

Das Projekt begann mit einem Schnupperwochenende, an dem sich alle Interessierten ein Bild vom Gefangenentheater machen konnten. Einige von ihnen hatten bereits Schauspielerfahrung, für andere klang es nach einer willkommenen Ablenkung vom Alltag hinter Gittern. Aufgrund welchen Deliktes die jungen Männer inhaftiert sind, spielte bei der Auswahl der Darsteller keine Rolle. Und so fand sich letztlich ein gutes Dutzend Schauspieler zwischen 15 und 21 Jahren zusammen.

„Man braucht fürs Spielen viel Selbstbeherrschung“, erklärt Tolga, der neben vier anderen die Rolle des Zucco spielt. Mit seinen Bühnen-Kollegen hat er knapp zwei Monate lang jede Woche 20 Stunden seiner Freizeit mit Proben verbracht, um die Szenen einzuüben, Sprechtrainings zu absolvieren und die Lieder zu lernen. Die harte Arbeit zahlt sich aus: Durch das Theater wird „ein starkes Erfolgserlebnis vermittelt“, meint Regieassistentin Claudia Rothenbühler. Gerade der Austausch mit Externen nach der Aufführung gäbe den Darstellern jene gesellschaftliche Anerkennung, die ihnen in der Haftanstalt verwehrt bleibt. Und vielleicht wächst der ein oder andere auch über sich hinaus. Batek etwa mit seinen HipHop-Einlagen, die er selbst geschrieben hat. „Ich hab die ganze Zeit gesagt, dass ich rappen will, und dann wurde es erlaubt“, erklärt er grinsend. Auch die Szenen, die zwischendurch an die Wand projiziert werden, haben die jungen Männer selbst entwickelt und gedreht.

Tolga wird in einem Monat das Gefängnis verlassen dürfen. Dann möchte er eine Ausbildung beginnen. Vielleicht in Richtung Schauspiel? Er lacht. „Ich habe hier Monate vergeudet.“ Wenn man sich anschaut, was er mit den anderen jungen Männern auf die Beine gestellt hat, dann stimmt das doch nicht so ganz.

Die nächsten Vorstellungen finden am 22. und 24. März jeweils um 17.30 Uhr statt.

Foto: Thomas Aurin

Das könnte Dich auch interessieren

Kategorien Kultur Theater

Auf spreewild.de berichten wir über alles, was uns bewegt – über Schule, Politik und Freizeit, Liebesglück und -kummer oder den Schlamassel mit der eigenen Zukunft. Wir bieten Hintergrundgeschichten zu den Artikeln, die wir auf der Jugendseite veröffentlicht haben, stellen Fotos und Videos ins Netz. Dazu gibt es die Fotoserien der Jugendredaktion, Musik-, Buch- und Filmbesprechungen sowie all die Fragen, die uns die Prominenten jede Woche stellen.