Interview

Interview mit der Antilopen Gang: „Eine Antilopen-Monarchie wäre vorstellbar“

Bei der Antilopen Gang herrscht gerade „Anarchie und Alltag“. Die HipHopper haben ein neues Album im Gepäck, auf dem sie unter anderem ihre subversiven Pläne zur Abschaffung der Bundesrepublik enthüllen.

Wie das aussehen soll und warum sie ihre Texte manchmal selbst erst im Nachhinein verstehen, haben uns Danger Dan, Koljah und Panik Panzer mal in Ruhe bei Kaffee und Keksen erläutert.

Ihr seid gerade auf Promo-Tour für eure neue Platte unterwegs. Funktioniert da noch Anarchie im Alltag oder lebt ihr mittlerweile in einer Termin-Diktatur?
Danger Dan: Bei uns ist ja eh alles Diktatur. Koljah ist ein krasser Diktator und schreibt viel vor von dem, was wir machen. Das hätte ich jetzt bestimmt auch nicht sagen dürfen..
Koljah: Nee, das ist schon okay, weil es mir schmeichelt. Auf eine ganz perfide Art und Weise.
Danger Dan: Aber er ist auch Anarchist. Daher ist es eher so eine anarchistische Diktatur.

Zusätzlich zum Album habt ihr auch noch eine Bonus-CD aufgenommen, auf der eure Songs von Punk-Künstlern interpretiert werden. Jetzt können die Kritiker, die dem Antilopen-HipHop gern einen Punk-Stempel aufdrücken, endlich den Unterschied erkennen…
Panik Panzer: Das gießt wohl eher Wasser auf die Mühlen der Verwirrten. Uns ging es aber eigentlich darum, uns einen kleinen Traum zu erfüllen. Die Idee, ein Punk-Album zu machen, hatten wir schon lange. Einfach, weil wir Spaß an der Musik haben.
Danger Dan: Wir können es sowieso niemandem recht machen. Wenn wir auf einem Punk-Festival spielen, heißt es: Was machen die HipHopper hier? Und umgekehrt genauso. Aber damit fühlen wir uns ganz wohl. Wir haben unsere eigene Antilopen-Welt geschaffen, in der das keine Rolle spielt.

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Wo fühlt ihr euch denn heimischer: Kneipenabend lieber mit HipHoppern oder mit Punkern?
Koljah: Punker saufen immer so viel, das ist echt anstrengend.
Panik Panzer: Ich fühle mich in ner Punker-Kneipe wohler als in nem HipHop-Club. Aber ich würde lieber den ganzen Abend mit nem HipHoper über Nerd-Themen reden als mit nem Punker besoffen über Politik zu faseln.
Danger Dan: Ich will mit Punk-Bands saufen. Immer. Am liebsten mit der Band den Bands „Zerfetzt“ und „Femme Krawall“.

Bekommt ihr denn mittlerweile in der Rap-Szene die Anerkennung, die ihr euch wünscht? Auch, wenn ihr keine sexistischen Texte habt und vor dem BMW posiert?
Danger Dan: Es gibt ja im HipHop keine homogene Szene und viele Sub-Genres. Da gucken sich alle gegenseitig wie Aliens an. Und wir sind, egal wo wir sind, fehl am Platz. Aber das nutzen wir für uns wohl ganz gut. Und es passt sowieso in meine ganze Biographie.
Koljah: Aus der Krankheit eine Waffe machen! Keine andere HipHop-Band würde auch noch ein Punkrock-Album aus dem Boden stampfen. Da haben wir aus der Not eine Tugend gemacht.

„Anarchie und Alltag“ – das neue Album der Antilopen.

Aus der Krankheit eine Waffe machen – das scheint bei euch eine wirksame Strategie zu sein. Andere Rapper prahlen oft damit, dass sie die omnipotenten Macher wären. In euren Texten steht ihr zu eurem Loser-Image. Was fasziniert euch so am Scheitern?
Danger Dan: Wir sagen ja beides. Wir sagen auch, dass wir die Kings sind. Aber auch, dass wir im Aschenbecher vor uns hinvegetieren und die dümmsten Männer sind von ganz Amerika. Und beides stimmt auch. Ich fand die Uncoolen schon immer am coolsten. Das ist alles ein Paradoxon. Wir befinden uns die ganze Zeit auf einem Karussell des Scheiterns und des Siegens.

Ihr setzt euch auf dem Album auch damit auseinander, was zwischen Selbstgerechtigkeit und Leistungsgesellschaft in Deutschland so alles falsch läuft. Welchen Lösungsansatz werdet ihr denn nun verfolgen: Friedliche Revolution mit der TK-Pizza oder doch die Atombombe?
Koljah: Beides kann man verbinden. Die Atombombe wird ja aus dem Flugzeug abgeworfen. Und während man auf den Knopf drückt, kann man Pizza essen.
Danger Dan: Die Pizza bringt uns aber den Frieden, weil sie so vielfältig ist und auf verschiedene Bedürfnisse eingehen kann. Es gibt zum Beispiel auch Pizza für Veganer mit Hefeschmelz statt Käse.

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Wenn Fans und Journalisten eure Texte interpretieren, ist das für euch bestimmt amüsant. Was habt ihr auf diese Weise im Nachhinein schon über euch erfahren?
Koljah: Man liest die geilsten Sachen, wenn Leute unsere Texte interpretieren und zum Beispiel in einem Lied wie Pizza lauter Querverbindungen entdecken, die wir selbst nicht wussten.
Panik Panzer: Das eröffnet eine neue Perspektive auf den eigenen Text und man versteht ihn in dem Augenblick selber erst besser.
Danger Dan: In der Bachelorarbeit, die über mich geschrieben wurde, hat eine Studentin das analysiert: Wir arbeiten nicht konzeptionell und hinterher wird von den Rezipienten ganz viel daraus gemacht. Wir lesen uns auch immer Reviews und Kommentare durch und legen dann erst fest, was wir eigentlich gemeint haben. Das meiste verstehen wir ja selbst nicht und sind froh über jeden Input.

Aber es muss nach dem atomaren Super-Gau auch irgendwie weiter gehen. Welche Staatsform schlagt ihr denn vor? Wäre eine Antilopen-Monarchie mit euch als Häuptlingen denkbar?
Panik Panzer: Das Problem an Systemen, die ein Oberhaupt haben, das die Regeln aufstellt, ist ja oft, dass diese Oberhäupter Arschlöcher sind. Da wir drei, aber keine Arschlöcher sind, fände ich eine Antilopen-Monarchie durchaus vorstellbar und glaube, das würde die Menschheit auch voranbringen.
Dan: Die Monarchie wird immer als veraltet dargestellt, aber mit nem guten King oder Queen läuft das gut.
Panik Panzer: Wir brauchen dann aber auch noch Prinzen und Prinzessinnen. Die können sich gern bei uns bewerben. Prinz Pi, Prince, Prince Kay One..
Koljah: Und die Prinzen werden unsere Barden!

Wenn ihr drei Kings an einem Album zusammenarbeitet, bedeutet das dann nicht das absolute kreative Chaos?
Danger Dan: Wir sind leider darauf angewiesen. Für dieses Album haben wir versucht, die Sachen allein zu Hause vorzubereiten. Nach Monaten des Scheiterns mussten wir feststellen, dass es nur funktioniert, wenn wir an einem Ort sind und haben uns in Brandenburg in einem Ort namens Kaputt eingeschlossen. Um die gemeinsamen Diskussionen kommen wir nicht herum.

Foto: Robert Eikelpoth

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Kategorien Konzerte Kultur Musik

Schreiben ist meine Neurose. Ich mache das wirklich nicht freiwillig. An pathologischer Schreibwut leide ich etwa seit meinem neunten Lebensjahr. Heute bin ich 24. Sie äußert sich in der übermäßigen Produktion von Texten, dabei reagiere ich sensibel auf gute Geschichten. Schreiben ist mein Plüsch–Airbag gegen Schleudertraumata im täglichen Gedankenkarussell, Weckglas für klebrig-süße Memoirenmarmelade und die doppelte Aspirin am Morgen nach einem exzessiven Empfindungsrausch. Ich habe eine Schwäche für Präpositionen mit Genitiv, Schachtelsätze und Ironie. In die Redaktion komme ich nur, weil es da umsonst Tee gibt.