Romeo und Julia im Nahen Osten

Rod Nordland erzählt in „The Lovers“ eine ungewöhnliche Liebesgeschichte.

Der Schauplatz von „The Lovers“ ist nicht das Verona der frühen Neuzeit, sondern zwei kleine Dörfer im heutigen Afghanistan. Auch heißen die Familien nicht Montague und Capulet, sondern Sawari und Ahmadi. Kein Dichter hat sich diese Geschichte ausgedacht, sondern das Leben hat sie geschrieben. Wichtig ist aber vor allem eines: Sie endet nicht mit dem Tod.

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Ali und Zakia wachsen in benachbarten Dörfern im ländlichen Afghanistan auf, er der Volksgruppe der Hazara angehörig, sie als Tadschikin. Beide Familien folgen dem Islam, seine den Schiiten, ihre den Sunniten. Sie sind siebzehn und vierzehn Jahre alt, als Ali zum ersten Mal bewusst wird, dass er sie mit anderen Augen sieht. Zakia hat ihn ebenfalls gern, ist sich aber der Probleme bewusst, die ihre Verbindung bringen kann. Mit der Zeit werden die beiden trotzdem heimlich ein Paar. Bereits die erste Kommunikation über Briefchen und Handy gestaltet sich schwierig, denn beide haben nie Lesen und Schreiben gelernt. Ali drückt seine Gefühle in romantischen Gedichten und Popsongs aus, die er auswendig weiß und auch gerne als Klingelton verwendet. An sich bereits ein Akt der Subversion: Mit der romantischen Liebe hat ihre Gesellschaft ein gelinde gesagt ambivalentes Verhältnis.

Trotz aller Schwierigkeiten schaffen sie es, ihre Liebe aufrechtzuerhalten, auch gegen den heftigen und gewaltsamen Widerstand von Zakias Familie. Irgendwann bleibt den beiden nur die Flucht, das Aufbegehren gegen eine Gesellschaft, die Frauen als das Eigentum ihrer Väter und Ehemänner ansieht. Sie sind hin- und hergerissen zwischen Gesetz, veralteten Traditionen und modernen Ansichten. Wichtig ist ihnen nur eines: Dass sie zusammenbleiben. Auch wenn es in hohen Absätzen über Berge und Täler geht.

Rod Nordland war Augenzeuge ihrer Geschichte. Als Leiter des Büros der New York Times in Kabul hatte der Pulitzer Preisträger über die Liebenden berichtet und wurde schließlich vom Beobachter zum aktiven Helfer. In seinem Sachbuch „The Lovers“ nimmt er kritisch Stellung zu dieser Rolle, während er Liebesgeschichte, Abenteuerroman und Gesellschaftskritik in einer umfassenden Reportage vereint. Ein ambitioniertes Projekt, ein äußergewöhnliches Buch. Für jeden empfehlenswert, der gewillt ist, sich mit der Informationsfülle auseinanderzusetzen.

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