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Prominente Frage: Jan Wagner

Prominente müssen der Presse ständig Tausende Fragen beantworten. Die Jugendredaktion dreht den Spieß um: Wir geben den Prominenten Antworten – auf alle Fragen dieser Welt.

Jan Wagner fragt: „Schreibt oder lest ihr Gedichte, und ist es euch unangenehm, das zuzugeben? Beziehungsweise: Wann habt ihr damit aufgehört?“

Jan Wagner ist Schriftsteller. Sein Gedichtband „Regentonnenvaria­tionen“ erhielt den Preis der Leipziger Buchmesse. Foto: Villa Massimo/Alberto Novelli
Jan Wagner ist Schriftsteller. Sein Gedichtband „Regentonnenvaria­tionen“ erhielt den Preis der Leipziger Buchmesse. Foto: Villa Massimo/Alberto Novelli

Die Jugendredaktion antwortet: Lieber Jan, nach den obligatorischen Gedichtkontrollen fand mein erster intensiverer Kontakt mit Lyrik in der neunten Klasse statt. An Goethes „Willkommen und Abschied“ übten wir interpretieren, mühsam wurde jede Zeile untersucht und Versmaße und rhetorische Figuren bestimmt. Begeisterung für das Gedicht an sich hat das nicht geweckt. Zwei Jahre später musste mein kleiner Bruder eben­dieses Gedicht lernen und ich stellte erstaunt fest, dass ich den Text noch immer problemlos aufsagen konnte. Ohne auf Silbentrennung und Betonungen achten zu müssen, fand ich ihn gar nicht mehr so schlecht. „Willkommen und Abschied“ ist bis heute mein Lieblingsgedicht. Seit meinem Studium befasse ich mich noch seltener mit der Dichtkunst – nicht, weil ich mich nicht dafür interessiere, sondern weil kommunikationswissenschaftliche Theorien selten in Gedichtform verfasst wurden.
Ich kaufe mir keine Gedichtbände und schreibe auch nicht. Trotzdem freut es mich, wenn ein Gedicht meinen Weg kreuzt. Es ist mir auch nicht unangenehm, das zuzugeben. Ohnehin sind Gedichte nicht uncool geworden. In der Schule vielleicht, aber da ist doch irgendwie alles peinlich, was mit Gefühlen zu tun hat. Junge Erwachsene interessieren sich durch­aus dafür, ihre Gedanken in dieser Form auszudrücken, denken wir an Poetry-Slams. Sie geben den Gedichten ein modernes Gesicht. Wer sich dem verschließt, ist selber schuld.

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Kategorien Kultur Literatur Prominent Gefragt

„Wenn Sie Journalistin werden wollen, sind Sie in diesem Studiengang falsch“, hörte ich im ersten Semester nicht nur einmal. Trotzdem habe ich mittlerweile, mit 22, meinen Abschluss – und arbeite stetig daran, den Zweiflern das Gegenteil zu beweisen. Denn das Schreiben lasse ich mir nicht mehr wegnehmen. Es ersetzt für mich rauschzustandsauslösende Substanzen, es ist mein Ventil, wenn die Gedanken zu laut schreien und kein Platz für ekstatisches Tanzen ist. Schreiben kann ich über all das, wonach niemand fragt, was im Gespräch niemand von mir wissen will. Am spannendsten ist aber, anderen Menschen zuzuhören und ihre Geschichte zu erzählen.