Blick auf den blinden Fleck

Foto: "In Search of Europe?" / Gemuce: Empurra. Aus der Serie Alignment of Values, 2013
Foto: „In Search of Europe?“ / Gemuce:
Empurra. Aus der Serie Alignment of Values, 2013

„Europe is not what you say it is. It is what we say it is“, sagt der schwarze Künstler Nástio Mosquito mit Nachdruck in die Kamera. Als Kunstwerk der Ausstellung vom Berliner Zentrum Moderner Orient „In search of Europe?“, die am 12. Januar zum letzten Mal im im Kunstraum Kreuzberg/ Bethanien zu sehen war, versuchte Mosquitos Arbeit „Re-branding Europe“ Europa neu zu definieren. Auch andere Künstler waren zusammen mit Wissenschaftlern der Frage nachgegangen, inwieweit Europa heute noch ein Maßstab ist, an dem sich Menschen in anderen Teilen der Welt messen. Nach einer Ausstellungsdauer von zwei Monaten und einem umfassenden Rahmenprogramm mit Experten-Debatten, feierten Künstler und Wissenschaftler gestern die Finissage.

 

Neben einem Auftakt mit fast 1 000 Besuchern und einem starken Medienecho zogen vor allem die Weihnachtsfeiertage zahlreiche Kulturinteressierte in das Bethanienhaus, um sich die konzeptuellen, multimedialen Arbeiten anzusehen.

„Die Besucher der Finissage eingerechnet, haben ungefähr 7 000 Besucher in den Kunstraum Kreuzberg Bethanien gefunden, um sich „In Search of Euopre?“ anzusehen “, so Kuratorin Daniela Swarowsky.

Die positive Resonanz auf „In Search of Europe?“ lässt sich auch darauf zurückführen, dass die Frage, ob unser Blick auf Europa richtig ist, immer häufiger gestellt wird. Auch einige andere kuratoren zeigten zuletzt Ausstellungen wie Global Prayers mit ähnlichen Fragestellungen.

 

Was „In Search of Europe?“ von ihnen allerdings unterschied, war die reflektierte und interaktive Problematisierung der eigenen Vorgehensweise. So wurde das politische Europa in allen Arbeiten mit einer neuen Selbstverständlichkeit als ein fragwürdiges Konzept dargestellt, das nicht klar zu definieren ist. Dabei nahm es in jeder einzelnen Arbeit ein neues Format an. Unter anderem wurde es auch als ein blinder Fleck dargestellt.

 

Der mosambikanische Künstler Gemuce wählte bei der Darstellung zweier sich begegnender Welten beispielsweise die Mauer als zentrales Motiv seiner 15-teiligen Ölgemäldeserie mit dem Titel „Alignment of Values“. Da sich die künstlerische Arbeit Gemuces wesentlich auf die zwischenmenschliche Begegnung konzentrierte, erweiterte er sein Konzept und stellte die Serie während der Eröffnungstage unter aktivem Einbezug der Besucher fertig. Auch in den anderen sieben Auftragsarbeiten zeichnete die Ausstellung das Bild einer Welt, die nicht einfach zweigeteilt, sondern von gegenseitigen Verflechtungen, Blicken und Beziehungen geprägt ist.

 

Besonders gelungen ist Swarowsky dabei, dass die Konzeption der Ausstellung selbst mittels Dokumentationstafeln für die Besucher visualisiert wurde. Somit lag der Fokus von In Search of Europe? nicht so sehr auf dem Output, den Arbeiten, sondern dem oft komplizierten Prozess ihrer Entstehung, in dem die Kuratorin und die europäischen Wissenschaftler mit den nicht-europäischen Künstlern verhandeln und Lösungen erarbeiten musste.

 

(Von Susann Ruscher)

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