Zwischen Kapitän und König

Im "Kostüm Kollektiv" können sich Künstler für die Bühne zum kleinen Preis einkleiden. Foto: LouPe/pixelio.de

Im neu eröffneten „Kostüm Kollektiv“ am Mariannenplatz können sich Künstler günstig für die Bühne einkleiden


Schau mal, Mozart hat doch im Rokoko gelebt“, sagt ein offenbar ungewöhnlich gut informiertes, etwa sechsjähriges Mädchen zu seiner Mutter und deutet mit großen Augen auf ein golden schimmerndes Gewand. Das Kleidungsstück hängt neben vielen anderen im Keller des Kreuzberger Kunstquartiers Bethanien an einer Kleiderstange. Neben dem Schild mit der Beschriftung „Rokoko“ hängen an dieser auch andere mit Aufschriften wie „Mittelalter“ und „Renaissance“. Einen Gang weiter sieht man aufwendig gearbeitete Tierkostüme. Auf einem Regalbrett steht das schwarze Kopfteil eines Rabenkostüms.


Kind und Mutter sind zur Eröffnung des „Kostüm Kollektivs“ in das Kunstquartier Bethanien am Mariannenplatz gekommen. Der Kostümfundus richtet sich an Theatergruppen, Filmcrews und andere Künstler, die mit knappem Budget ihre Darsteller einkleiden müssen, wie etwa Jugendtheater. „Wir hatten schon überlegt, einen eigenen Fundus aufzubauen. Aber das Angebot hier ist einfach fantastisch!“, schwärmt eine Besucherin. Da sie selbst Theater mache, wisse sie um die finanzielle Belastung, die Kostüme für kleinere Produktionen darstellen.


Bereits für knapp zwei Euro kann man Kleidungsstücke vom Kostüm Kollektiv für zwei Wochen ausleihen. Hierbei handelt es sich um leicht Waschbares, das keiner aufwendigen Reinigung bedarf. Die höchste Preisklasse endet bei 90 Euro pro Teil und betrifft ältere handgestrickte und empfindliche Kleider. „Diese Stücke dürfen nur für Shootings oder bei Filmdrehs verwendet werden“, sagt Sebastian Ellrich. Er ist Kostümbildner und war einer der Initiatoren des Projekts. Bevor der Fundus ins Leben gerufen wurde, musste er seine Werke auf dem Dachboden seiner Eltern zwischenlagern. Zuletzt hatten sich dort mehrere Tausend Stücke angesammelt, die nur sporadisch genutzt wurden.


Häufig landet Kleidung nach Ende einer Produktion einfach im Müll. Der Kleiderfundus ist insofern auch ökologisch sinnvoll. „Ist Bekleidung noch intakt, ist es besser sie weiter zu verwenden, als sie energetisch oder stofflich zu verwerten“, sagt Sabine Thümler, Pressesprecherin der Berliner Stadtreinigung. Die BSR unterstützt den Kostümfundus, da so Abfall vermieden werden kann.


Neben Workshops und Kolloquien zu Kostüm- und Maskenbild bieten auch die ausführlichen Beratungen eine Besonderheit der Arbeit des Fundus. „Einmal kam ein Schauspieler zu mir und meinte, er wolle irgendwas zwischen Kapitän und König“, sagt Muriel Nestler, die den Fundus betreut. Nach einer langen Beratung habe sich der Schauspieler schließlich entgegen eigener Erwartungen für eines der Rokokogewänder entschieden. „Schon als Kind wusste ich, dass Kostüme manchmal der Anfang wunderbarer Geschichten sind“, sagt die Kostümbildnerin. Inmitten von Pailletten, Federn, und bunten Stoffen glaubt man ihr das gern.


Von Rebecca Ciesielski, 21 Jahre

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