Couchpotatoes auf Reisen

Jugendreporterin Thérèse will nach Istanbul. Ohne Geld. Wie sie versucht, sich bei Fremden einzunisten.


Das Sofa des einen ist der günstige Urlaub des anderen.

Vor einer Weile beschloss ich mit zwei Freundinnen, unserem langen Gerede endlich Taten folgen zu lassen. Wir kauften uns ein Flugticket nach Istanbul! Leider taten wir das so enthusiastisch und unüberlegt, dass wir nicht nur den Flug bezahlten, sondern wenig später auch die Umbuchungsgebühren auf ein Datum, an dem wir tatsächlich alle können.


Dass unsere gesamten Ersparnisse aufgebraucht sind, ist jedoch nicht der einzige Grund, jetzt auf dem Portal Couchsurfing.org auf virtuelle Sofajagd in Istanbul zu gehen. Uns reizt der direkte Austausch mit den Kulturen.



Ich tippe „Istanbul“ in das Suchfeld ein und drücke Enter. 8 965 Treffer. Da wird wohl jemand dabei sein. Ich modifiziere die Suche und lasse mir nur Menschen anzeigen, die sicher oder vielleicht ein Schlafplatzverfügbar haben, die drei Schlafmöglichkeiten auf einmal anbieten und die in den letzten sieben Tagen online gewesen sind. Schon verringert sich die Zahl auf 425. Immer noch ausreichend.


Ich scrolle durch die neue Liste. Plötzlich spukt die Stimme meiner Mama durch meinen Kopf, die mir sagt, wenn ich verschleppt und verkauft würde, hätte sie auch gern einen finanziellen Anteil als Aufwandsentschädigung für ihr bisheriges Bemühen. Sie findet die Idee, dass drei Mädchen allein in der Türkei bei Unbekannten wohnen, nicht so toll wie wir. Also gut, eine weitere Sucheinschränkung: nur Frauen als Gastgeber. Die Zahl sinkt auf 50. Ich klicke mich durch die Profile. Hier isst eine ihre Kiwis mit Haut, eine andere studiert Grafikdesign im dritten Semester und interessiert sich für Farben, noch eine andere klettert auf jeden Berg, der ihr in die Quere kommt.


Bei der Suche ist es wichtig, nicht nur die selbstverfassten Profilangaben nach Kompatibilität zu durchforsten, sondern auch die von anderen geschriebenen Referenzen. Trotzdem muss ein
schlechter Kommentar nicht gleich einen miserablen Gastgeber bedeuten. Vielleicht waren die kulturellen oder persönlichen Unterschiede in diesem einen Fall einfach zu groß. Als weitere Entscheidungshilfen kann man Vouchingstimmen – besonders schwer zu erringende Vertrauensbeweise – und Verifikationen zu Rate ziehen, die garantieren, dass die Angaben des Profilbesitzers wirklich stimmen.


Am Ende schreibe ich acht Mädchen an, die mir sympathisch erscheinen. Hoffentlich finden sie mich genauso interessant wie ich sie. Und hoffentlich sind ihre Sofas frei.

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