Mode von unten


Die Suche nach Miss UBahn geriet zu einem unkonventionellen Mode-Wettbewerb


von Ole Faß


[media id=5]


Heidi Klum hätte ein unheilvolles Gesicht gemacht, Bruce Darnell hätte das alles für „ganz große Kacka“ gehalten und ein Foto, das zur Teilnahme an der nächsten Runde qualifizieren würde, hätte es selbst im Traum nicht gegeben. Dass der Miss UBahn-Contest, der am vergangenen Samstag auf dem Spreewaldplatz in Kreuzberg stattfand, den Zuspruch der Top-Model-Jury in keiner Kategorie gewonnen hätte, das war schon klar, als das Ganze mit einer fast zweistündigen Verspätung begann.


Dann wurde bei schlechtem Wetter und in bester Laune die Geschichte und Architektur von mehr oder weniger dreizehn Berliner U-Bahnstationen modisch interpretiert und jeweils einmal als Bademode und einmal als mehr oder weniger tragbare Alltagsmode aufgeführt – Das jedenfalls war der Plan.


Denn die gutbesuchte Veranstaltung brach nicht nur mit der Tugend der Pünktlichkeit, sondern auch mit so ziemlich jedem ungeschriebenen Gesetz, das dem sonst üblichen Modezirkus seinen bekannten Glanz verleiht. In einer Abfolge, deren Ordnung nicht einmal den Veranstaltern bekannt war, wurde für Frauen entworfene Bademode von Männern vorgeführt, deren Körperbau alles andere als weiblich war und auch sonst das gesicherte Terrain der Modewelt gekonnt verlassen.


So war das ganze überraschend anders und ungewohnt entspannt und machte vor allem Spaß. Als Miss Alexanderplatz zu lange auf sich warten ließ, sprang Miss Warschauer Straße für sie ein: einfache blaue Hose, weißes Unterhemd, Bierflasche und Zigarette. Wie es sich für den, vor allem von Partygängern frequentierten U-Bahnhof gehört, flog die Flasche – kaum war sie ausgetrunken – auf den Boden. Die Performance endete mit einem letzten, in Szene gesetzten Zug an der Zigarette und einem selbstbewussten Abgang.


Schließlich schaffte es Miss Alexanderplatz doch noch auf den zum Laufsteg umfunktionierten Platz. Nach allem was man gesehen hatte, überraschte es kaum noch, dass Miss Alexanderplatz niemand anderes als ein Mann in einem gefährlich engen Kleid war.


Während manches Label den Wettbewerb auf seine ganz eigene Weise bestritt, versuchten sich andere in dem wohl auch kreativ zu nennenden Chaos auf den modischen Aspekt des Ganzen zu konzentrieren. So schickte das Label Stil vor Talent seine Miss welche-Station-war-das-nochmal in einem goldenen Umhang mit langer Schleppe leider mehr stolpernd als laufend über den Laufsteg.


Doch letztendlich konnte sich aus dem unterhaltsamen Chaos, die für das kleine Label Mayarosa laufende Miss Potsdamer Platz hervorheben. Auch die vierköpfige Jury, besetzt mit den weniger bekannten Vertretern der regionalen Musik- und Modeszene, schienen von dem in seiner Schlichtheit umso eleganter wirkenden, schwarzen Kleid im Stil der 20er Jahre überzeugt worden zu sein.


Denn schließlich war es Miss Potsdamer Platz, die den heißbegehrten Titel Miss-UBahn erhielt – zumindest bis zum nächsten Sommer, denn dann wird sie die Krone wieder in einem hoffentlich ebenso unkonventionellen Model-Contest verteidigen müssen.

Das könnte Dich auch interessieren

Kategorien Kultur Lifestyle

Auf spreewild.de berichten wir über alles, was uns bewegt – über Schule, Politik und Freizeit, Liebesglück und -kummer oder den Schlamassel mit der eigenen Zukunft. Wir bieten Hintergrundgeschichten zu den Artikeln, die wir auf der Jugendseite veröffentlicht haben, stellen Fotos und Videos ins Netz. Dazu gibt es die Fotoserien der Jugendredaktion, Musik-, Buch- und Filmbesprechungen sowie all die Fragen, die uns die Prominenten jede Woche stellen.