Kleine Monster finden Mut

Als Jugendliche ein unbeliebter Freak: Lady Gaga zeigte in der O2-World, wohin das führen kann

Von Stefanie Möser

Die Lichter in der O2-World gehen aus, und hinter einem Vorhang kann man die Silhouette von Lady Gaga erkennen. Zu stampfenden Elektrobeats ertönt ihre Stimme, und nachdem der Blick frei wird auf die Popikone des 21. Jahrhunderts, gibt es seitens der Fans kein Halten mehr. Willkommen auf dem Planeten Gaga. Die Lady selbst ist in ein sexy lilafarbenes Kostüm mit Leopardenmuster gekleidet, das vor Beginn der Tanzeinlage mit einem Umhang und überdimensionalen Schulterpolstern komplettiert wird. Die quietschgelben Haare vervollkommnen den Anschein eines Wesens von einem anderen Stern.

Wer glaubt, dass Lady Gaga mit ihren schrillen Bühnenoutfits vom Gesang abzulenken versucht, der irrt. Die schillernde Fassade ist tatsächlich nur Zusatz. Vor allem bei „Speechless“ berührt die bombastische Gaga-Stimme so sehr, dass einem mindestens so warm ums Herz wird, wie dem Piano, das im Laufe des Liedes in Flammen aufgeht.

Doch Stimme hin und Performance her – der schönste Aspekt an diesem Konzert einer 24-jährigen New Yorkerin in Berlin ist die Entführung in ein Reich irgendwo zwischen Gut und Böse. Lady Gaga nimmt ihre Fans mit auf den „Monster Ball“, von dem keiner weiß, wo und was er ist. Ein Ort, der von Außenstehenden kaum verstanden werden kann. Die Reise entpuppt sich im Laufe des Abends als Evolution, an deren Ende sowohl Künstlerin als auch Publikum den Schritt hin zu freien Wesen schaffen werden.

Diese Entwicklung drückt sich unter anderem in den Kostümen der Künstlerin aus, die zum Ende immer abstrakter und untragbarer werden. Spät am Abend lässt Gaga Feuerfunken aus einem stählernen BH sprühen. Ja, solche Szenen, ihr Aussehen und die Performance erinnern stellenweise an Madonna, dennoch ist „The Monster Ball“ ein Erlebnis wie kein anderes. Lady Gaga versteht ihren Auftritt nicht als Konzert, sondern als Mix aus Modeinstallation, Performance und Popshow – als Musical der Absurditäten.

Stefani Joanne Angelina Germanotta, wie Gaga mit gebürtigem Namen heißt, musste sich schon in ihrer Schulzeit mit Kritiken bezüglich ihres Aussehens auseinandersetzen. Sie war zu provokant und zu exzentrisch und fühlte sich nach eigener Aussage wie ein Freak. Viele Besucher der Show – und hier steht so mancher Teenie neben einem Rentner – können das gut nachvollziehen, als Lady Gaga zwischen den Songs davon erzählt, wie in ihrer Jugend niemand an sie geglaubt hat.

Berührend der Moment, in dem sie auf dem Boden liegend darum bettelt, geliebt zu werden. Aber das hat sie gar nicht nötig. Alle „little Monsters“ – so nennt sie das Publikum während der Show – haben auf dem Planeten Gaga längst ein Zuhause und den Mut gefunden, sich nicht zu verstecken und so zu sein, wie sie sind.

Das könnte Dich auch interessieren

Kategorien Konzerte Kultur Musik

Auf spreewild.de berichten wir über alles, was uns bewegt – über Schule, Politik und Freizeit, Liebesglück und -kummer oder den Schlamassel mit der eigenen Zukunft. Wir bieten Hintergrundgeschichten zu den Artikeln, die wir auf der Jugendseite veröffentlicht haben, stellen Fotos und Videos ins Netz. Dazu gibt es die Fotoserien der Jugendredaktion, Musik-, Buch- und Filmbesprechungen sowie all die Fragen, die uns die Prominenten jede Woche stellen.