Frau im Café
Privats- was?

Werden wir bald vergessen haben, was Privatsphäre ist?

Heutzutage ist es üblich, unser Leben mit anderen zu teilen – online. Wir posten zu jeder Zeit, in jeder Situation. Wo bleibt da die Privatsphäre? Ein Kommentar.

Von Friederike Deichsler, 22 Jahre

Kürzlich las ich in einem Interview, kein Moment sei zu privat, um ihn mit seinen Fans zu teilen. Diese Aussage schockierte mich. Zerstört es nicht viele Augenblicke, wenn man sie erst einmal für die vielen Follower in Szene setzt? Bei Bildern von romantischen Heiratsanträgen frage ich mich zum Beispiel immer, wer eigentlich am einsamen Strand unterm Sternenhimmel auf den Auslöser gedrückt hat.

Auf der anderen Seite verfolgen wir doch gerade deshalb sämtliche Profile der von uns zu Promis Auserkorenen. Die Paparazzi-Fotos in der Boulevard-Presse reichen uns nicht mehr. Wir wollen näher ran. Der Klick auf den „Follow“-Button macht uns zum Teil eines besonderen Kreises. Gemeinsam mit zwei Millionen anderen werden wir zu Social-Media-Vertrauten. Die Reichen und Schönen zeigen uns ihren Alltag und wir schauen mit großen Augen zu.

Doch genau das ist auch das Erfolgsgeheimnis derer, die überhaupt nur durch soziale Netzwerke berühmt geworden sind. Kochen, Shoppen oder Sport – auf Instagram können Tausende ihnen beim Leben zuschauen. Und wenn die Follower schon jeden Morgen mit einem Bild vom Frühstück versorgt werden, fällt es schwer, irgendwo eine Grenze zu ziehen. Nicht zuletzt bringen gerade persönliche Posts oft Bestätigung und Zuspruch der Fangemeinde ein. Der Weg zum Insta-Fame führt offenbar über die Bereitschaft, nichts vorzuenthalten.

Nun ist es natürlich eine eigene Entscheidung, was und wie viel man wo von sich preisgeben möchte. Menschen mit ausgeprägtem Geltungsdrang finden in Instagram und Co. die perfekte Plattform. Leider vermittelt das eine gefährliche Illusion von Normalität. Auf den abonnierten Profilen sehen wir gefühlt jeden Moment aus dem Leben der anderen. Gleichzeitig folgen wir gerade denen, die viel von sich preisgeben. Das spornt an. Jemand postet ein Foto vom Candle-Light-Dinner in trauter Zweisamkeit? Da müssen wir doch zeigen, dass unser Abend genauso schön war. Was nicht geteilt wird, ist schließlich nicht passiert. So verschwimmt das Verständnis von privat, bis sich seine Bedeutung irgendwann auflöst.

Foto: pexels

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