Erik glaubt, dass eine Deutschpflicht nicht mehr nötig ist. Ein Kommentar
Rund 38 Prozent der in diesem Jahr in Berlin eingeschulten Kinder haben einen Migrationshintergrund. Ein Teil von ihnen beherrscht die deutsche Sprache nicht gut genug und bestehet den Deutsch-Plus-Test nicht. Daher haben sich viele Schulen in Berliner Problembezirken bereits vor zehn Jahren darauf geeinigt, dass auch während der Pausen auf den Schulhöfen die Pflicht besteht, deutsch zu sprechen. Die Schulen haben diese Regel freiwillig aufgestellt. Der Türkische Bund in Berlin-Brandenburg (TBB) fordert jetzt ihre Aufhebung. Welche Sprache Kinder mit ihren Freunden in ihrer Freizeit sprechen, sei Privatsache, argumentiert der Verein. Dass im Unterricht ausschließlich deutsch gesprochen werden darf, ist ausdrücklich nicht Teil seiner Kritik. Zudem legt der TBB Wert darauf, dass seine Forderung nicht nur auf türkischsprachige Kinder, sondern auf alle abziele, die eine andere Muttersprache sprechen.
Ich denke, für die Deutschkenntnisse ist es grundsätzlich sinnvoll, auch in der Freizeit deutsch mit seinen Freunden zu sprechen. Doch berichten Schüler, dass viele von ihnen, wenn die Pausenaufsicht nicht in Sicht sei, sich untereinander doch in anderen Sprachen unterhalten. Genau das ist eines der Probleme der Deutschpflicht: Sie ist eine Regel, die sich nicht wirklich durchsetzen lässt. Und auch aus einem anderen Grund ist die Forderung, sie abzuschaffen, weniger rückschrittlich, als es vielleicht erst einmal klingen mag: Wenn unter Aufsicht erzwungen wird, dass die Schüler deutsch sprechen, entwickeln sie womöglich eher eine Abneigung gegen die Sprache.
Vielleicht wäre deshalb mehr gewonnen, wenn man den Dingen einfach ihren Lauf ließe. Schließlich liegt es gerade an den Schulen, die die Regel eingeführt haben, eigentlich ziemlich nahe, ohnehin deutsch miteinander zu sprechen. Denn wie der TBB sagt, betrifft die Deutschpflicht ja längst nicht mehr vor allem türkische Schüler. Seit sie eingeführt wurde, ist nicht nur der Anteil der Schüler mit Migrationshintergrund weiter gewachsen. Auch die Vielfalt der Länder, aus denen sie stammen, ist größer geworden. Und damit das Erfordernis, deutsch zu sprechen, wenn man einander verstehen möchte. Daher wäre möglicherweise keine formale Deutschpflicht mehr nötig – sie könnte sich automatisch ergeben. Einen Versuch wäre es wert.
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