Unterricht beim Waffenhersteller gehört verboten

Susann Ruscher: „Lobbyismus an Schulen steht unabhängiger Bildung im Weg.“ Foto: Privat
Susann Ruscher: „Lobbyismus an Schulen steht unabhängiger Bildung im Weg.“ Foto: Privat

Die Schule: eine unabhängige Bildungsinstitution? Heute seien Schulen so genannte „Dienstleister der Wirtschaft“, sagt Günter Vollmer, Inhaber des Lehrinstituts für Chemie und Didaktik in Düsseldorf. Für seine Bemühungen, Schulen für die Wirtschaft zu öffnen, wurde ihm im Jahr 2003 der Verdienstorden von Nordrhein-Westfalen verliehen.

 

Vollmer hatte sich seit Anfang der 1990er-Jahre für die Vernetzung von Schulen mit Unternehmen eingesetzt. So hat er den Startschuss für die derzeitige industrielle und wirtschaftliche Einbindung von rund 80 Schulen des Regierungsbezirks Düsseldorf gegeben. Auch in anderen Bundesländern hat man davon gelernt. Das Ergebnis: Laut der ersten Pisa-Studie aus dem Jahr 2006 besuchten bereits 87,5 Prozent der 15-Jährigen eine von Industrie und Wirtschaft beeinflusste Schule.

 

Die Wochenzeitung Die Zeit, hat  vergangene Woche einen großen Artikel darüber veröffentlicht. 
Unter dem Deckmantel der Schulkooperation nutzen Firmen finanzielle Engbässe von Schulen für ihre Lobbyarbeit aus. Viele Schulen erhalten regelmäßig Geschenke und fünfstellige Geldbeträge. Unter den Gönnern sind auch Waffenhersteller, Glücksspielunternehmen und Ölkonzerne. Vielerorts wurde das Werbeverbot an Schulen zugunsten des „Praxisbezuges“ gelockert und im konjunkturschwachen Sachsen-Anhalt sogar komplett verworfen.

 

Doch wer die Schuld allein bei Lehrern sucht, die oft die unmittelbaren Vertragspartner der Unternehmen sind, ist kurzsichtig. Von allen Seiten wird Druck ausgeübt. Unternehmen fordern Schulabgänger, deren Qualifikation auf die Bedürfnisse der Wirtschaft abgestimmt ist. Eltern hingegen wünschen sich für ihre Kinder eine unabhängige, kritische Erziehung, während der Staat ohnehin nicht genügend Geld für Schulen bereitstellen kann. Die Einflussnahme von Unternehmen an Schulen hat also ihre Wurzeln in der Geldnot. Hinzu kommen inkonsequente Kultusministerien, die alle Schulbücher einer genauen Prüfung unterziehen, Unterrichtsmaterialien von Fast-Food-Konzernen aus dem Internet hingegen unbesehen genehmigen.

 

Die Unterrichtsvorbereitung liegt zwar in der Verantwortung des Lehrers, doch auch in diesem Beruf zeigen sich die Folgen von Überbelastung. Lehrer haben längst nicht mehr den ganzen Nachmittag frei. Statt ihnen die Schuld zu geben, sollte man Kultusministerien hinterfragen, die die Initiative Lobbycontrol vertrösten, wenn diese ein Werbeverbot an Schulen fordert.

 

Haben an eurer Schule schon Unternehmen für sich geworben? Sagt es uns hier auf spreewild.de

 

Von Susann Ruscher

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