Sogar unsere Großeltern sind toleranter als wir

Julia Schattauer: "Jugendliche sollten mehr über die Lage von Flüchtlingen lernen.“ Foto: Privat
Julia Schattauer: „Jugendliche sollten mehr über die Lage von Flüchtlingen lernen.“ Foto: Privat

Berliner sind offen gegenüber Asylbewerbern. Das ist das gute Ergebnis einer Forsa-Studie, die im Auftrag der Berliner Zeitung durchgeführt wurde. Demnach sprachen sich 38 Prozent der Berliner für die Aufnahme von mehr Asylbewerbern aus, 53 Prozent wollten den aktuellen Stand beibehalten. So weit, so gut. Erschreckend an der aktuellen Studie ist aber etwas anderes: 22 Prozent der 18- bis 29-Jährigen sind dafür, dass weniger Asylbewerber aufgenommen werden sollen. Das sind ganze vier Prozent mehr als bei den über 60-Jährigen, von denen nur 18 Prozent dieser Meinung sind.

 

Ich hätte den Jugendlichen und jungen Erwachsenen mehr Toleranz zugetraut. Oder anders gesagt: den Älteren mehr Ablehnung unterstellt. Doch warum haben mehr junge als alte Menschen ein Problem damit, weitere Asylbewerber aufzunehmen? Fangen wir mit den über 60-Jährigen an: Viele von ihnen mussten sich im Laufe des Zweiten Weltkrieges mit den Themen Flucht und Vertreibung direkt oder indirekt auseinandersetzen. Die jüngere Generation kennt zwar Erzählungen der Großund Urgroßeltern, der direkte Bezug fehlt aber. Für viele Jugendliche scheinen Krieg und Vertreibung weit weg. Warum sollten wir uns darum kümmern? Deutschland geht es im Vergleich zu anderen europäischen Ländern wirtschaftlich gut. Wir haben mehr Ausbildungsplätze als Bewerber. Trotzdem spielt bei vielen jungen Menschen wegen der Wirtschaftskrise auch die Sorge um die finanzielle Zukunft eine Rolle. Es scheint das Motto zu gelten: Wir sollten uns erst einmal um uns kümmern. Am konkreten Beispiel, dem Flüchtlingscamp am Kreuzberger Oranienplatz, zeigten laut Forsa- Studie weitaus mehr Jugendliche Toleranz und sprachen sich gegen eine Räumung aus. Hier wird klar, dass ein konkreter Bezug, ein Bild vor Augen, immens wichtig ist. Es geht um Menschen, die Not leiden.

 

Zukunftssorgen und fehlender Bezug – es ist dringend notwendig, mehr Aufklärung zu betreiben. Jugendliche sollten in den Schulen mehr zum Thema Asylbewerber und Asylrecht erfahren. Die Situation in Krisengebieten sollte stärker vor Augen geführt werden. In diesem Rahmen können die Schüler sowohl über die Situation der Flüchtlinge als auch über ihre eigenen Sorgen und Ängstereden, damit das Thema greifbar wird.

 

Julia Schattauer, 23

 

Habt ihr im Unterricht schon einmal über die Situation von Asylanten gesprochen? Sagt es uns!

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Kategorien Klartext Politik

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