Interview

Jens Karraß: „Was gibt es Tolleres, als wenn man Spaß an Sport hat?“

Bewegung ist gut für uns, sowohl für den Körper als auch den Geist. Jugendliche sollte daher unbedingt eine Sportart finden, die ihnen Spaß macht, sagt Jens Karraß. Wie das geht und wie man seinen inneren Schweinehund überwindet, das hat uns einer der schnellsten Männer der Welt im Interview verraten.

Herr Karraß, sind Kinder und Jugendliche von heute zu träge?
Ich denke jedenfalls, dass sie nicht träger sind als Erwachsene und auch nicht unbedingt träger, als Kinder es früher waren. Aber es ist wie bei den Erwachsenen auch: Es gibt jene, die keinen Sport machen, und jene, die viel Sport machen – weil sie auf den Geschmack gekommen sind.

Wie schafft man das, dass Jugendliche auf den Geschmack kommen?
In erster Linie dadurch, dass sie einen Sport finden, der ihnen gefällt. Viel hängt aber auch vom Trainer ab, von dessen Persönlichkeit. Wenn Jugendliche auf Coaches treffen, die mit Herzblut bei der Sache sind, die kompetent sind und die zu ihnen durchdringen, dann haben die auch Spaß am Sport. Wenn das nicht der Fall ist, dann lässt die Motivation schneller nach. Wichtig ist auch die richtige Balance zwischen Spaß und ­Motivation. Werden die Kinder, die beim Sport Spaß haben ­wollen, zu sehr getriezt, dann hören sie auf. Geht es aber zu undiszipliniert zu, verliert man wiederum die Kinder, die vorwärtskommen wollen.

Sport hat viele positive Effekte: Er dient Kindern auch als Stressabbau. Bewegung hilft, Sorgen und Nöte zu vergessen.

Warum ist Sport so wichtig für Kinder?
Es ist natürlich gut für ihren Körper, klar. Sport hat darüber hinaus aber viele weitere positive Effekte. Er dient als Stressabbau. Ein Zappelphilipp kann sich besser entspannen. Bewegung hilft, Sorgen und Nöte zu vergessen. Das ist bei Erwachsenen ja nicht anders. Ich treffe sehr viele sportlich aktive Jugendliche und sehe, dass die gut drauf sind. Sie sind auch oft schulisch besser als ihre Mitschüler. Denn das darf man auch nicht vergessen: Wer Sport macht, vielleicht im Verein, lernt, seinen Tag sinnvoll einzuteilen. Die haben ihren Körper im Griff, sind allgemein motiviert und organisiert. Sie lernen, nach Niederlagen wieder aufzustehen. Und sie lernen, auf sich aufzupassen, es nicht zu übertreiben.

Wie viel Sport sollten Kinder und Jugendliche pro Woche treiben? Gibt es ein Zuviel?
Wichtig ist, dass sie überhaupt irgendwann mit Sport in Berührung kommen – außerschulisch. Denn der Sportunterricht an der Schule ist auf gar keinen Fall ausreichend. Sportmuffel und Kinder, die vielleicht schon leicht übergewichtig sind, sollte man dazu bewegen, einmal pro Woche ein Sportangebot wahrzunehmen. Damit überfordert man sie nicht, macht aber auch klar, dass es ohne Bewegung nicht geht. Dann hoffen wir Trainer natürlich darauf, dass diese Kinder Gefallen ­finden. Dass sie merken, dass es ihnen donnerstags und freitags irgendwie besser geht, wenn sie mittwochs beim Sport waren. Und je fitter die Kinder dann sind, desto mehr Lust haben sie auch, öfter Sport zu treiben. Die Häufigkeit würde ich dann je nach Alter begrenzen. Bei Kindern bis etwa zehn Jahre reicht es, wenn sie zwei Mal wöchentlich Sport machen. Ab 12, 13 Jahren können sie dann gerne fünf Mal wöchentlich trainieren. Wichtig ist natürlich, dass sie ihre Schulaufgaben schaffen. Wenn das klappt – was gibt es dann Tolleres, als wenn Kinder Spaß am Sport haben?

Gut ist es immer, sich jemanden zu suchen, mit dem man das gemeinsam macht.

Haben Sie einen Tipp, wie Jugendliche, die sich vor Sport scheuen, ihren inneren Schweinehund überwinden können?
Gut ist es immer, sich jemanden zu suchen, mit dem man das gemeinsam macht. Die besten Freundinnen könnten sich zum Beispiel dazu verabreden, am Sonntag nicht ins Kino zu gehen, sondern an einem kleinen Laufwettkampf teilzunehmen. Es gibt zum Beispiel 5×5-Kilometer- Staffelläufe. Und fünf Kilometer schafft man. Darauf können sie sich zusammen vorbereiten. Dann ziehen sie ihre schrillsten Klamotten an, nehmen Musik mit und gehen draußen eine halbe Stunde joggen. Man macht daraus sozusagen ein kleines Happening. Das hilft.

Warum ist insbesondere Laufen so gut für uns?
Es ist der beste Sport, um in kurzer Zeit etwas für sich zu tun. Laufen ist eine sehr energiereiche Sportart. Der ganze Körper ist in Bewegung. Man verbrennt pro Minute mehr Kalorien als beim Fahrradfahren oder Schwimmen. Außerdem können wir gut entspannen durch den gleichmäßigen Laufrhythmus und die schnellere Atmung. Super ist natürlich auch, dass man nicht mehr als Laufschuhe und Sportklamotten braucht. Und man kann es überall spontan machen. Viele Kinder und Jugendliche finden Laufen aber nicht besonders cool. Das ist aber nicht schlimm, denn es gibt so viele Sportarten – da findet sicher jeder etwas Passendes.

Zur Person

Jens Karraß (48) war 15 Mal in der Jugendklasse nationaler Meister, Junioren-Europameister, drei Mal Deutscher Meister und 1991 der drittschnellste Mann der Welt über zehn Kilometer auf der Straße. Er arbeitet als Personal-Trainer und Lauf-Coach. Mit seinem Online-Programm hat er seit 2006 mehr als 3 000 Menschen zum Laufen gebracht. Er ist Diplom-Medienberater und Inhaber der Lauf-Coaching-Firma jK Running.

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