Interview mit 18-jährigem Parteivorsitzenden: „Politik nahbar zu machen, ist ein großes Ziel“

Erik Koszuta ist Deutschlands jüngster Parteivorsitzender. Mit 18 Jahren gründete er seine Partei der Wähler

Mit seiner Partei der Wähler (PdW) möchte Erik Koszuta ab September im Abgeordnetenhaus mitmischen. Wir haben mit ihm über Hahnenkämpfe im Parlament und den Traum von individueller Bildung gesprochen.

Du hast mit 18 eine eigene Partei gegründet. Da behaupte noch jemand, die Jugend von heute sei unpolitisch…
Das sehe ich gar nicht so. In meinem Freundeskreis ist Politik immer ein Thema gewesen. Es wird nur eher außerhalb des Parlaments etwas getan, zum Beispiel in politischen Vereinigungen oder auf Demos. Eine Demo ist aber nur ein Anstoß, ein Signal, das man setzt. Die Frage ist dann: Was machen wir jetzt damit? Häufig passiert daraufhin nichts. Das System einfach abzulehnen, reicht jedoch nicht aus.

Um politisch aktiv zu werden, hättest du aber auch einer bestehenden Partei beitreten können. Warum kam das für dich nicht in Frage?
Sicherlich könnte ich mich auch bei anderen Parteien wiederfinden. Aber ich habe während meines Praktikums bei den Piraten im Abgeordnetenhaus gesehen, wie die Parteien alle so arbeiten. Die Selbstgefälligkeit der Politiker hat mich total schockiert. Aus egozentrischen Befindlichkeiten kam es manchmal nicht zu einer Einigung und die Politik trat in den Hintergrund. Das hat mich abgeschreckt, mich für eine Partei zu engagieren. Ich wollte nicht in so einen etabliereten Verein, wo du ganz unten anfängst und das dann auch zu spüren bekommst.

Wie kamst du auf die Idee, die PdW zu gründen?
Die Möglichkeit war einfach da. Wir haben zunächst nur am Lagerfeuer herumgesponnen und hatten am Anfang noch gar kein Programm. Wir dachten bloß: Was eine große Partei wie die CDU kann, das können wir theoretisch auch. Also habe ich mich schlau gemacht und schnell gemerkt: Hey, das geht ja wirklich. Der Ansporn war, nicht nur Lust zu haben, etwas mitzugestalten, sondern das selber zu machen. Politik ist doch Meinung – und die haben wir.

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Um an der Berlin-Wahl teilnehmen zu können, muss die Partei der Wähler bis Mitte Juli 2200 Überschriften sammeln. Erik Koszuta ist zuversichtlich. Foto: Gerd Metzner

Wie habt ihr dann eurer Parteiprogramm entwickelt?
Wir haben Themen gesammelt, die uns unter den Nägeln brannten, und Ausschüsse gebildet. Zum Beispiel zur kostenlosen Nutzung der Öffentlichen, zum Grundeinkommen oder zur Legalisierung von Marihuana. Wir haben uns zusammengesetzt, die Punkte formuliert und in Gruppen diskutiert. Das hat etwa ein Jahr gedauert. Ich würde uns jetzt in die linksliberale Ecke einordnen. Wir wollen jedem ermöglichen, am Leben teilzunehmen, unabhängig von seiner Herkunft.

Meinst du, es ist das Image, das die Politik für junge Leute so unattraktiv macht?
Absolut. Immer wird versucht, die Jugend irgendwie zu integrieren. Aber die Art und Weise funktioniert einfach nicht. Es wirkt meist peinlich, weil die Menschen, die das gestalten, gar keine Ahnung von der Jugend haben und sich nicht mehr reinversetzen können. Viele nehmen dann die Haltung ein: Ich kann ja sowieso nichts ändern. Wir wollen zeigen, dass man auch mit 18 schon etwas bewegen kann. Die jetzige Politik wirkt wie ein Elfenbeinturm, viel zu elitär.

Ist die PdW also auch eine Partei jugendlichen Protests gegen das aktuelle Parteiensystem?
Absolut. So wie’s läuft, finden wir es nicht gut. Ich fühle mich nicht durch die Volksvertreter vertreten. Wir wollen der Politik mit unserer Partei auch den Spiegel vorhalten. Das ist natürlich provokant: Jetzt kommen da so 19- und 20-Jährige, gründen eine eigene Partei und machen vielleicht sogar bei der Wahl mit.

Wenn es mit der Berlinwahl im September klappt, welche Konflikte erwarten euch wohl mit den etablierten Parteien?
Vielleicht bekommen sie das Gefühl, dass wir ihnen die Butter vom Brot nehmen. Gerade bei Parteien mit ähnlichen Ziele herrscht traurigerweise viel Konkurrenzkampf. Und leider mangelt es im Parlament an einer vernünftigen Streitkultur. Die Debatten driften oft auf eine persönliche Ebene ab, die total unkonstruktiv ist.

Was würdest du dir denn generell für die Politik der Zukunft wünschen?
Gelebte Demokratie. Wenn es auf einem Parteitag mal ordentlich zur Sache geht und inhaltlich richtig gestritten wird – und das auf einer wertschätzenden Ebene. Außerdem mehr Parteienvielfalt, mehr Fluktuation. Es sollten bei Wahlen auch mal neue Parteien reinkommen und andere rausgehen, sodass Bewegung entsteht. Was wir gerade in unserer Bundesregierung haben, sehe ich als Stillstand. SPD und CDU nehmen sich oft gar nicht viel. In so einem Einheitsbrei passiert ja irgendwie auch nichts.

Was habt ihr denn den anderen Parteien voraus?
Unsere Art, Politik zu machen, ist ehrlicher und nicht so festgefahren. Wir haben zwar unsere Meinung, sind aber viel offener für Vorschläge und Neugestaltung. Wir wollen Politik transparent machen, in den Alltag integrieren und nicht auf einen Sockel stellen. Zum Wahlkampfauftakt gibt es nach einer ernsten Diskussion auch mal Musik und nettes Beisammensein. Politik nahbar zu machen, ist ein großes Ziel von uns.

Also ist eure Arbeitsweise euer Alleinstellungsmerkmal?
Auch unser Parteiprogramm ist in seiner Zusammensetzung einzigartig. Aber wir sind wahnsinnig jung und haben nicht diese ewig festen Strukturen. In der Partei gibt es eine offene Kommunikation und flache Hierarchien und wir begegnen uns auf Augenhöhe. Was wir fordern, meinen wir auch wirklich so und setzten es, falls möglich, genau so um. Ohne Hintergedanken.

Unser Bildungssystem ist, wie bei eigentlich jeder Partei, in eurem Programm ein großes Thema. Was würdet ihr gern verändern?
Was falsch läuft, ist das preußische System, dass alle über einen Kamm geschoren werden. Alle wollen in die Bildung investieren, vergessen aber, dass es sich dabei um einen individuellen Prozess handelt. Was nützt ein Mensch mit 1er-Schnitt, der überall „ganz gut“ ist? Es geht doch darum, in der Schule seine persönlichen Talente zu entdecken. Daher muss das System individualisiert werden.Wir wollen radikal die Noten durch Lernbegleitungen in Form von schriftlichen Einschätzungen ersetzen.

Das klingt aber sehr idealistisch…
Das sind wir ja auch. Über unser Parteiprogramm haben wir „Plan zur Weltverbesserung“ geschrieben. Sicherlich ist das ein bisschen selbstironisch. Es wäre schon schön, wenn das so umsetzbar wäre. Natürlich muss man Kompromisse eingehen, aber man muss sich auch ein hohes Ziel setzen und eine Richtung vorgeben. Wenn ich gleich am Anfang sage „Das ist ja Quatsch“, dann wird das auch nichts.

Welche nächsten Schritte kommen jetzt auf euch zu?
Natürlich ist es das Ziel, im September an der Berlinwahl teilzunehmen. Dafür müssen wir uns erstmal auf die Straße stellen und bis Mitte Juli 2200 Unterschriften sammeln. Aber das geht alles Step by Step. Es ist ohnehin unglaublich, was in den vergangenen zwei Jahren alles entstanden ist. Daher bin ich eigentlich ganz zuversichtlich.

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Kategorien Interview Mitmischen Politik

Schreiben ist meine Neurose. Ich mache das wirklich nicht freiwillig. An pathologischer Schreibwut leide ich etwa seit meinem neunten Lebensjahr. Heute bin ich 24. Sie äußert sich in der übermäßigen Produktion von Texten, dabei reagiere ich sensibel auf gute Geschichten. Schreiben ist mein Plüsch–Airbag gegen Schleudertraumata im täglichen Gedankenkarussell, Weckglas für klebrig-süße Memoirenmarmelade und die doppelte Aspirin am Morgen nach einem exzessiven Empfindungsrausch. Ich habe eine Schwäche für Präpositionen mit Genitiv, Schachtelsätze und Ironie. In die Redaktion komme ich nur, weil es da umsonst Tee gibt.