„Das sind Fantasien von Erwachsenen, die wir Kindern aufdrücken“

Wertvoll von Geburt an: Königin Victoria noch als kleine rosarote Prinzessin. (Bild von Richard Lauchert, gefunden via Wikimedia Commons)

Maya Götz hat sich dem Fernsehen verschrieben: Schon seit mehr als zehn Jahren erforscht sie die Mädchen- und Frauenbilder, die uns in unzähligen Sendungen, Serien und Soap-Operas präsentiert werden und ihre Wirkung auf die Zuschauerinnen. Seit 2003 leitet sie das Internationale Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfernsehen beim Bayerischen Rundfunk und seit 2006 auch den Prix Jeunesse International für Kinderfernsehen. Wenn sich also jemand in der Welt des Kinder- und Jugendfernsehens bestens auskennt, dann sie. Spreewild traf Maya Götz auf der Jubiläumstagung „10 Jahre Girls’ Day“ zum Gespräch.

Frau Götz, welche Dinge fallen Ihnen bei der Forschung über Mädchen- und Frauenfiguren im Fernsehen immer wieder auf, die sie regelrecht nerven?

Es gibt wenig Dinge, die mich wirklich nerven. Das, was wir beim Internationalen Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfernsehen machen, ist einfach der Versuch nachzuvollziehen, was diese Figuren mit den Zuschauerinnen machen. Manchmal ändern sich Ansichten dadurch auch: Man sieht etwa eine Figur wie die Prinzessin Lillifee und denkt: „Oh, herrje! Das ist doch keine Perspektive fürs Leben.“ Denkt man dann darüber nach, was es denn bedeutet, Prinzessin zu sein, dann merkt man: „Oh ja, stimmt: geliebt werden um seiner selbst Willen.“ Dann denkt man, dass das genau das ist, was man jedem Menschen wünscht und findet es plötzlich gar nicht mehr nur verwerflich.

 

Aber was sind Bilder, die Sie wirklich nicht unterstützen können?

Diese Hypersexualisierung. So junge Heldinnen mit Hot Pants, die sich auch erotisch bewegen – das sind Fantasien von Erwachsenen, die wir Kindern aufdrücken und die die Mädchen mittlerweile relativ selbstverständlich übernehmen. Das macht aber überhaupt keinen Sinn für 7- oder 8-jährige Mädchen, solche Figuren anzubieten. Die haben dann das Gefühl, man muss sich so anziehen, wenn man erfolgreich sein will. Und das ist etwas, was überhaupt nicht Not tut.

 

Dr. Maya Götz: Es gibt wenig Dinge, die mich wirklich nerven. (Foto: privat)

In Ihren Forschungen taucht auch der Begriff der „Add-On“-Figur auf – was meinen Sie damit?

Wir haben mittlerweile ein Frauenbild in unserer Gesellschaft, für die das Ziel ist: Eine Frau für alles. Das heißt: Sie ist erfolgreich im Beruf, sie ist gute Mutter, Partnerin, immer attraktiv, immer bereit zu allem, ganz aktiv, sie ist super intelligent, immer gut gelaunt und natürlich immer super geschminkt und ganz ganz schlank. All das gleichzeitig ist überhaupt nicht möglich. Wenn wir einmal darüber nachdenken, dann ist das, was wir leisten unheimlich viel. Und das Einzige, was wir Frauen tun, ist über die Schulter schauen und denken: „Oh, da hätte ich noch mehr machen können.“ Und dieses „add-on“, das wir als Ideal haben, das haben wir bereits im Kinderfernsehen. Da gibt es auch die Heldinnen, die das, das und das können. Und wirklich alle Heldinnen sehen immer gut aus.

 

Was macht das mit den Mädchen, die solche Figuren als Vorbild haben?

Es kommt die Idee auf, es sei selbstverständlich, dass wenn du was leisten willst, du vor allem lange wallende Haare haben und superschlank sein musst. Das sind aber einfach Kombinationen, die miteinander überhaupt nichts zu tun haben und dieses aufeinander, das wir alles können müssen, macht uns selbst einen solchen psychologischen Stress, dass wir das Versagen so schlecht ertragen können. Fehler machen gehört aber halt einfach dazu. Man muss sagen können: „Ok, gut, das war es nicht. Jetzt geht’s aber weiter.“ Diesen Moment können wir gerade als Frau nicht, weil wir dann immer das Gefühl haben: Wir reichen nicht. Das heißt, es leidet knallhart unsere Identität darunter und wir haben eben das Gefühl, wir würden als Mensch nicht reichen.

 

Haben Sie eine weibliche Heldin aus dem Fernsehen, die Sie jungen Mädchen empfehlen würden?

Bibi Blocksberg ist eine sehr schöne Figur! Die Kleine Prinzessin finde ich toll, so für den Vorschulbereich. Die geht ihren ganz eigenen Weg und lernt dabei – das ist einfach eine sehr schöne Figur. Also da gibt es auf jeden Fall welche, man muss nur sehr genau hinschauen.

 

(Interview: Katrin Gottschalk)

 

Zur Internetseite von Maya Götz geht es hier.

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