Schaulaufen: Wie Fernsehzuschauer die Castingshow „Germany’s next Topmodel“ alljährlich überstehen, ohne ihren Intelligenzquotienten auf einen Minuswert zu senken, ist ein ungelüftetes Geheimnis. Noch rätselhafter ist, warum sich Hunderte Mädchen stundenlang anstellen, um durch ein Casting die Chance zu bekommen, sich zum Affen zu machen.
Wer dabei in die engere Wahl kommen möchte, muss mindestens 1,75 Meter groß, 17 Jahre alt, bis zur Unkenntlichkeit geschminkt und dünner als ein halber Bleistift sein. Ich erfüllte keine dieser Kriterien, als ich zu der Schlange der Bewerberinnen stieß, die im strömenden Regen vor einem Hotel in Mitte warteten. Aber ich war Schülerpraktikantin dieser Zeitung, begleitete einen Journalisten und konnte mich so mit süffisantem Lächeln an den frierenden Bohnenstangen vorbeidrängeln, die mich – damals 14-jährig, 1,66 Meter groß, bekleidet mit einem abgewetzten Cordrock und einer übergroßen Regenjacke – ungläubig anstarrten.
Beim Vorausscheid wurden je zehn Mädchen in eine Reihe gestellt und fotografiert, zu kleine oder zu dicke wurden von den Verantwortlichen mit abwertenden Kommentaren bedacht, ausgewählte Schönheiten durften zehn Sekunden vor laufender Kamera auf und ab stöckeln. Nach einer halben Stunde hielt ich es nicht mehr aus. Ich ging zum nächsten Kiosk, um mir Schokolade zu kaufen.
(Von Josephine Valeske, 17 Jahre)