Es war einmal ein Märchenbuch: Besondere Kindheitserinnerungen verbinde ich mit einem alten Märchenbuch der Brüder Grimm, das es schon lange in unserer Familie gibt. Bereits als 5-Jährige konnte ich mich diesem magischen Buch mit seinem leicht muffigen Duft nach Mottenkugeln aus Lavendel und den etwas vergilbten Seiten kaum entziehen. Manchmal kuschelte ich mich in eine Ecke meines Zimmers, nur um durch dieses Buch zu blättern. Ich erinnere mich genau an die Illustrationen zu den einzelnen Märchen und weiß, wie es mich regelmäßig beim Anblick der Hexe, die in den Ofen gestoßen wurde, schauderte und ich meine Augen feste schließen musste, wenn ich die Seite schnell umblätterte.
Auch meiner Mutter ist dieses Buch bis heute in guter Erinnerung, denn sie sollte mir nicht nur immer wieder daraus vorlesen, sondern verbindet mit ihm auch eine wiederkehrende Episode aus meiner Kindheit. Mein absolutes Lieblingsmärchen der Brüder Grimm war „Schneewittchen“ und dementsprechend oft musste meine Mutter es mir vorlesen. Doch zum Ende unterbrach ich sie mit der Bitte, den richtigen Schluss des Märchens zu erzählen. Sehr überzeugend erklärte ich: Natürlich sei Schneewittchen erwacht, als der Prinz versucht habe, sie im gläsernen Sarg mit auf sein Schloss zu nehmen, daraufhin habe es aus Freude ein großes Fest gegeben, aber danach sei Schneewittchen selbstverständlich bei ihren treuen Freunden, den sieben Zwergen, geblieben. Alles andere müsse doch ein Irrtum sein, denn wer würde schon seine Freunde und loyalen Unterstützer wegen irgendeines völlig fremden Prinzen verlassen?
Von Miriam Kniep, 23 Jahr