Liebe Jugendredaktion,
nach meinem gescheiterten Urlaub in Russland vor drei Jahren dachte ich eigentlich, schlimmer könne es nicht mehr kommen. Aber was mir nun in Waterloo passiert ist, stellt alle mir bislang bekannten Reisestrapazen in den Schatten. Mein Aufenthalt hier ist wirklich total ins Wasser gefallen. Allein die Unterbringung ist eine Katastrophe. Die Briten, die ja als Feriengäste in der ganzen Welt gefürchtet sind, machen mit ihren Kanonen einen solchen Lärm, dass ich nachts kein Auge zukriege. Und auch die Deutschen benehmen sich wie die Axt im Walde. Von Ferien kann keine Rede sein. An manchen Tagen frage ich mich, ob ich unter diesen Umständen noch die Kraft haben werde, mein Amt als Kaiser weiterzuführen, wenn ich wieder zu Hause in Paris bin. Ich befürchte, dass ich erst einmal Urlaub vom Urlaub brauche, wenn ich hier endlich abreisen kann. Um ehrlich zu sein, habe ich mich diesbezüglich sogar schon kundig gemacht. Ein längerer Aufenthalt auf der Insel St. Helena im Südatlantik könnte mir womöglich gut tun. Gruß und Kuss,
euer Napoleon Bonaparte.
Auf diese Postkarte stieß unser Jugendreporter Vivian Yurdakul, 21 Jahre, als er beim Sommerjob auf einer belgischen Erdbeerfarm zufällig einen verrotteten französischen Soldatenrock entdeckte. In der Tasche des offenbar unzuverlässigen Übermittlers hatte die Karte nun fast auf den Tag genau 196 Jahre auf uns gewartet.