Coronaport Noah Adler
Er wollte helfen. Also hat er das Onlineportal coronaport.net programmiert – nahezu allein.
Interview

„Coronaport“-Erfinder: „Es gibt viele Dinge, die Leute füreinander tun wollen“

Der 16-jährige Berliner Schüler Noah Adler hat quasi über Nacht das Coronavirus-Hilfsportal „Coronaport“ entwickelt. Allein in Berlin sind mittlerweile gut 4.000 freiwillige Helfer registriert. Noah hat schon Pläne für das nächste Projekt.

Von Moritz Tripp

Als die Welt im März abgeriegelt und die Schulen im ganzen Land geschlossen wurden, herrschte bei den Schülerinnen und Schülern erst einmal Fassungs- und Ratlosigkeit. Auch der 16-jährige Noah Adler, der die 11. Klasse eines Berliner Gymnasiums besucht, war davon nicht ausgeschlossen. Doch er sah nicht tatenlos zu, sondern fasste schnell den Entschluss, anderen in dieser schwierigen Zeit zu helfen. Quasi über Nacht stampfte er die Plattform Coronaport aus dem Boden, auf der Menschen Nachbarschaftshilfe anbieten und finden können. Wir haben mit ihm über das Projekt gesprochen.

Wie kamst du auf die Idee zu Coronaport?

Das war etwa Mitte März. In der Schule haben wir alle live die Nachrichten verfolgt, in denen es hieß, dass die Schulen geschlossen werden. Alle waren ganz aufgeregt. Und ich bin nach Hause gefahren und dachte mir, ich habe jetzt viel Zeit, es wäre doch cool, irgendwie zu helfen. Ich bin dann auf Facebook-Gruppen gestoßen, in denen Nachbarschaftshilfe angeboten wurde und dachte mir, man könnte das Ganze doch ein bisschen systematisieren. Außerdem hatte ich Lust, ein Projekt zu starten und etwas Neues dazuzulernen. Also habe ich einfach losgelegt, über Nacht. Innerhalb von zwei Tagen hatte ich den ersten Prototypen gebaut und dann immer weiterentwickelt.

„Meine Oma hat mir Dinge wie Photoshop und Filmbearbeitung beigebracht.“

erzählt Noah Adler

Mit Computern und Programmieren kennst du dich also aus?

Ja, ich hatte schon zuvor viel mit Computern zu tun. Meine Oma hat mir beigebracht, Computer einzurichten und zu benutzen, als ich noch klein war. Außerdem hat sie mir Dinge wie Photoshop und Filmbearbeitung erklärt. Das habe ich also ihr zu verdanken. Seitdem ich zwölf bin, habe ich mir dann Know-how in Webprogrammierung angeeignet und konnte dadurch letztendlich coronaport.net aufsetzen. Aber ich musste auch viel dazulernen.

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Hattest du dabei Hilfe oder hast du dir alles selbst beigebracht?

Im Prinzip habe ich mir alles selbst angeeignet. Das geht durch YouTube und Co. sehr gut und kostet nicht mal was. Ich habe aber mit vielen Leuten geredet, die mir immer neue Denkanstöße gegeben haben. Programmiert habe ich fast alles selbst. Irgendwann gab es allerdings auch mal Features, die schnell hermussten. Da habe ich dann zum Glück Freiwillige gefunden, die ein paar Zeilen Code parallel mit mir geschrieben haben und mich somit unterstützen konnten.

„Coronaport funktioniert ein bisschen wie ein interaktives Telefonbuch.“

erklärt Noah Adler

Wie genau funktioniert Coronaport?

Es ist eigentlich ganz einfach. Die Seite ist für zwei Gruppen von Menschen sinnvoll: Jene, die in ihrer Nachbarschaft gerne Hilfe anbieten möchten, und solche, die diese Hilfe in Anspruch nehmen wollen. Als Helfender gibt man an, wie und wo man helfen kann und wie man kontaktiert werden kann. Menschen, die Hilfe brauchen, können dann mit einem Klick eine Karte sehen, auf der die verschiedenen Hilfsangebote angezeigt werden. Dort können sie auch die Angebote, die für sie interessant sind, herausfiltern und die jeweiligen Personen dann selbstständig kontaktieren. Ein bisschen wie in einem interaktiven Telefonbuch.

Allein in Berlin haben sich bereits 4.000 freiwillige Helfer registriert. Foto: privat

Welche Hilfsangebote gibt es?

Die beiden häufigsten Angebote sind Einkaufshilfe für ältere Menschen und Kinderbetreuung. Auch Nachhilfe oder technische Unterstützung für ältere Menschen und etwa Lehrer sind dabei. Es gibt auch außergewöhnliche Sachen: Jemand, der anbot, mit einer älteren Person, die nicht aus der Stadt raus kann, unter Beachtung der Hygienevorschriften aufs Land zu fahren. Oder jemand, der Yogasessions anbot. Es gibt einfach viele verschiedene Dinge, die Leute füreinander tun wollen. Das alles ist jetzt, wo die Maßnahmen gelockert werden, natürlich ein bisschen im Wandel.

Wie viele Leute machen mit?

In Berlin, wo es angefangen hat, haben sich bereits gute 4.000 freiwillige Helfer registriert. In anderen Städten sind es nicht so viele, doch es gibt eigentlich in jedem Bundesland registrierte Helfer.

Wie möchtest du das Projekt weiterentwickeln?

Zurzeit ändert sich viel an der allgemeinen Situation. Mit zunehmenden Lockerungen wird der Bedarf an Hilfe wohl sinken, was natürlich ein gutes Zeichen ist. Zurzeit bin ich dabei, mit Partnern aus verschiedenen Branchen Konzepte zu besprechen, wie man in Zukunft online systematisierte Hilfeleistungssysteme erarbeiten kann. Aber davon abgesehen ist jetzt gerade auch wieder viel Schule angesagt.

Lassen sich die Arbeit am Projekt und die Schule miteinander vereinbaren?

Es ist zum Teil schon sehr stressig. Das kommt immer auf die jeweilige Phase an. Zurzeit habe ich zum Glück etwas weniger Arbeit mit Coronaport als früher und kann mich mehr auf die Schule konzentrieren, die ich zugegebenermaßen zu Beginn des Projekts etwas vernachlässigt habe. Das Verpasste musste ich dann wieder aufarbeiten, was glücklicherweise gut geklappt hat.

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Wie genau kann man dich und Coronaport unterstützen?

Die beste Möglichkeit, das Projekt zu unterstützen, ist natürlich, sich als Helfer zu registrieren, denn davon lebt die Plattform. Ansonsten habe ich ein Tool eingerichtet, über das man ein paar Euro spenden kann. Ich habe ja laufende Server- und Entwicklungskosten. Eine kleine Spende würde mir helfen, diese Kosten zu decken. Wenn jemand außerdem eine gute Idee zur Entwicklung hat, bin ich dafür auch immer offen.

Hast du schon weitere Projekte geplant?

Ich bin in meiner Freizeit beim Wasserrettungsdienst. Dort überlege ich gerade, ein Technikprojekt mit ein paar Leuten aus dem Verein zu starten. Außerdem beschäftige ich mich mehr mit dem Thema Unternehmertum, in das ich kürzlich ein bisschen reingekommen bin. Mir macht das Organisieren, Entwickeln, Planen und Kommunizieren einfach wahnsinnig Spaß. Aber am Ende möchte ich damit auch irgendwie anderen helfen. Am wichtigsten für mich ist jetzt aber erstmal das Abi.

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Kategorien Corona-Pandemie Gesellschaft Schule Zwischendurch

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