WG Minou

Leben in Quarantäne – was macht das mit einer 6er-WG? Eine Kolumne

Tag 14 oder – der Tag, an dem die Normalität Einzug hält

Die Sonne scheint unaufhörlich dieser Tage. Wir sitzen viel draußen, gehen spazieren oder fahren Fahrrad, soweit es möglich ist. Die Zeit verfliegt. Ben und Bengt haben sich gestern auf den Weg nach Hamburg gemacht, um die Osterzeit mit ihren Familien zu verbringen. Heute beginnen bereits unsere Online-Vorlesungen und langsam setzt ein Gefühl von Normalität ein. So sieht nun also unser Alltag aus: So gut es geht die Ausgangsbeschränkungen beachten, kochen, einkaufen – leben halt. 

Dabei ist es doch surreal, wie schnell wir uns alle mit dieser neuen Lebensweise abgefunden haben. Das Abstandhalten, die Atemmasken, die Flatterbänder an den Spielplätzen – das alles wirkt langsam erschreckend normal. 

Doch was gerade passiert, ist ganz und gar nicht normal, immerhin werden unsere Grundrechte auf bisher nie gekannte Weise eingeschränkt. Um weiteren Infektionen vorzubeugen, sind solche Maßnahmen ohne Frage zu weiten Teilen auch sinnig, doch ich finde es wirklich erschreckend, wie diese in einer so kurzen Zeit ohne große Widerworte von der Gesellschaft angenommen wurden. Wir wurden bereits im Park nach unseren Ausweisen gefragt, da wir unerlaubter Weise mehr als zwei Personen waren. Tagtäglich fahren Polizeiwagen mit Lautsprecheranlagen an den Grünflächen vorbei, um mit dröhnenden Ansagen die Menschen von den Picknickwiesen zu verscheuchen. Was hier gerade passiert, scheint mir eher den Aufnahmen eines apokalyptischen Films zu ähneln, aber für uns wird das alles eben langsam „normal“. 

Meiner Meinung nach müssen wir jedoch aufpassen mit unserem Verständnis für gerechtfertigte Einschränkungen. Wie kann es sein, dass eine Demo für die Geflüchteten in Lesbos am Brandenburger Tor aufgelöst wird, während die öffentlichen Verkehrsmittel immer noch brechend voll sind?! Es ist die Angst, die dieser Tage dominiert – das ist nur verständlich. Dennoch sind dies Fragen, die wir uns trotz Sicherheitsmaßnahmen stellen sollten. Erschreckend, wie schnell ein demokratisches System in Krisensituationen aus den Angeln gehoben werden kann. 

Tag 12 oder – der Tag, an dem Lilly die Sonne mitbringt 

Die Tage fühlen sich allmählich immer verwobener an. Es scheint keine Rolle mehr zu spielen welches Datum ist oder ob man vom Wochenende spricht – alles fließt ineinander. Bei mir persönlich macht sich der Lagerkoller vor allem psychisch immer öfter bemerkbar. Das stets gleiche Aufwachen am Morgen mit den immer gleichen Gedanken: Warum eigentlich aufstehen und nicht einfach liegen bleiben? Was wird der Tag überhaupt bringen? Ich kann langsam einfach nicht mehr.

Gestern ist unsere Mitbewohnerin Lilly vom Lande zurückgekommen, wo sie zeitweise die Quarantäne mit ihrer Familie verbrachte. Durch die Anwesenheit einer neuen Person ändert sich mit einem Mal vieles in der WG. Direkt kommt wieder richtig Leben in unsere Wohnung und unsere Produktivität und gute Laune kehren zurück. Plötzlich machen wir die zahlreichen Dinge die wir uns seit Tagen vornehmen und seit Langem herrscht hier wieder ein gewisses Gefühl von Leichtigkeit.

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Heute haben wir zum Beispiel eine Fahrradtour durch die leeren Straßen gemacht. Es ist absurd die Stadt aufblühen zu sehen und dabei doch zu wissen, dass man nicht wirklich teilhaben kann an dem aufkommenden Frühling da draußen.

Am Nachmittag backen wir Kuchen und machen Pläne für einen Tisch, der morgen gebaut wird. Nach Tagen des deprimiert Seins, fühle ich mich heute gut, bin glücklich. Es ist ein befreiendes Gefühl in der WG wieder vereint zu sein und zu wissen, dass wir uns auch an schlechten Tagen gegenseitig auffangen werden. Heute ist alles gut. Heute sitzen wir in unserem Wintergarten in der Sonne und es ist einfach. Mal sehen was morgen kommt.

Hier geht’s weiter mit Tag 10 oder – dem Tag, an dem ein Gespräch über Heringssalat das Highlight war

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Der kuriose Briefmarkensammler in der Bibliothek oder ein mal zu Späßen aufgelegter Busfahrer – es sind die kleinen wunderbar skurrilen Alltagsgeschichten unserer Großstadt, die ich mit meinen Worten einfangen will. Ich, eine waschechte 18-jährige Berlinerin, die neben dem geschriebenen Wort auch ein großer Fan von guter Musik und Woody-Allen-Filmen ist. Schreiben bedeutet für mich reflektieren, verstehen und sich einfach mal fallen zu lassen, ganz nach Frau Lindgrens Devise: „Man muss so schreiben, dass es für einen selbst eine Freude ist, sonst kann es auch für andere keine Freude sein.“