Tausende Schüler*innen fordern per Petition die Absage der diesjährigen Abiturprüfungen. Haben sie vielleicht einfach keine Lust? Ein Kommentar.
Von Kristina Vasilevskaja
Die Welt geht unter und wir müssen für Prüfungen lernen – so stellen es zumindest gerade all jene dar, die für die Aussetzung der Abschlussprüfungen aufgrund der Corona-Pandemie argumentieren. Die Motivation fürs Lernen läuft verständlicherweise dieser Tage etwas gegen Null. Aber deswegen die Prüfungen ausfallen lassen?
Einige Bundesländer sind bereits dabei die Abiturklausuren durchzuziehen, in Berlin sind die Schülerstimmen, ob die Prüfungen geschrieben werden sollten und wann, noch immer ziemlich gemischt. Sogar die Option einer Durchschnittsnote ohne Prüfungen wurde angeführt und eine entsprechende Petition gestartet. Beim sogenannten Durchschnittsabitur sollen die Noten der vergangenen vier Halbjahr zur Errechnung der Abiturnote dienen. Mehr als 134.000 Menschen haben die Petition bereits unterschrieben.
Absage der Prüfungen wäre aus verschiedenen Gründen unfair
Die Prüfungen einfach absagen, das klingt für einige vielleicht traumhaft, wäre aber ungerecht all jenen gegenüber, die sich bereits darauf vorbereitet haben, und jenen, die Prüfungen ablegen mussten und 2020 ablegen müssen. Und überhaupt – wofür war dann der ganze Aufwand der letzten zwei beziehungsweise drei Jahre? Die Freude über die ständige Verschiebung kann ich wenig nachvollziehen, denn je größer die Lücke zwischen Schulzeit und Prüfungen, umso größer ist die Gedächtnislücke und kleiner das Konzentrationsvermögen.
Über die realistischen Alternativen streiten sich nun die Länder und auch innerhalb Berlins ist die Frage noch immer nicht klar beantwortet, ob und wann die Prüfungen stattfinden. Zwar hat die Kultusministerkonferenz (KMK) bereits beschlossen, dass die Abiturprüfungen bis zum Ende des Schuljahres bundesweit stattfinden sollen. Aber ob alle Bundesländer dieser Einigung folgen, ist noch unklar.
Der Landesschülerausschuss (LSA), das höchste bildungspolitische Gremium der SchülerInnen, fordert vom Berliner Senat, die Prüfungen erst Wochen nach den Osterferien festzulegen, damit SchülerInnen noch die Möglichkeit haben, in Bibliotheken zu gehen. Prinzipiell verständlich. Vergessen wird jedoch, dass relevante Inhalte aus den Bibliotheken auch digital verfügbar sind. Außerdem: Wer seine 5. Prüfungskomponente bereits vor den Osterferien gehabt hätte, der müsste seine Recherche schon längst beendet haben, bevor sich die Krise verschärft hat.
Wir befinden uns nicht im Krieg
Die Krise als Vorwand zu instrumentalisieren, sich vor den Prüfungen zu drücken, ist schlichtweg dreist. Hygienestandards können durchaus eingehalten werden, denn Abstand halten während der Prüfungen sollte sowieso Pflicht sein. Schon klar, dass viele Menschen in einem Raum nicht gerade das ist, was vorschriftsmäßig gerade richtig wäre. Doch solange jeder auf sich und andere Rücksicht nimmt, kann die Ansteckung trotzdem vermieden werden.
Das Abitur wurde in Deutschland bisher erst zweimal ausgesetzt und anstelle dessen ein „Notabitur“ ausgegeben. In beiden Fällen herrschte in Deutschland Krieg. Auch wenn Präsidenten wie Donald Trump (USA) und Emmanuel Macron (Frankreich) bereits vom Corona-Krieg sprechen: Die Situation ist nicht vergleichbar.