Für Spreewild-Autorin Lima und ihre Mitbewohner war es selbstverständlich, die Einkäufe für die älteren Nachbarn unter ihnen erledigen zu wollen. Sie machen es jetzt aber doch nicht.
Von Lisa-Marie Henle
Ab einem Alter von 60 Jahren gehört man, genauso wie Menschen mit Grunderkrankungen oder einer Immunschwäche, zur Risikogruppe des Corona-Virus. Für diese Menschen kann eine Erkrankung mit Covid-19 lebensgefährlich werden. Über 60-Jährige sind daher dazu angehalten, soziale Kontakte besonders zu meiden. Um das zu schaffen, sind sie auf die Unterstützung junger Leute angewiesen – dachte ich zumindest.
Selbstverständlich gingen wir klingeln
Auch wenn in meiner Nachbarschaft in Berlin hauptsächlich junge Menschen leben, bewohnt ein älteres Paar die Erdgeschoss-Wohnung unter meiner WG. Zusammen mit meinen Mitbewohnern beschloss ich also, bei dem unter uns wohnenden Ehepaar, er Ende 70 und sie über 80, zu klingeln und anzubieten, den Einkauf zu erledigen oder andere Besorgungen.
Nachdem uns unsere Nachbarn die Tür öffnen, kam aber die Ernüchterung: Über das Angebot freue sich das Paar schon, doch trotzdem lehnen sie unseren Vorschlag freundlich ab. Noch sei er ja gut genug zu Fuß und der Supermarkt nicht weit, fügte unser Nachbar lachend hinzu.
Was sollten wir denn tun?
Ich frage verwundert, ob ihnen Corona keine Sorgen bereite, und erfahre, dass sich die beiden der Gefahr einer Ansteckung schon bewusst sind. Aber nur in der Wohnung hocken, möchten sie auch nicht. Was wäre das denn für ein Leben? Außerdem wisse man ja auch nicht, wie lange dann so zu Hause ausgeharrt werden müsste.
Der Verzicht aufs Einkaufen und Spazieren gehen bedeutet für sie auch den Verzicht auf ein eigenständiges und selbstbestimmtes Leben. Unsere Nachbarin und unser Nachbar wollen nicht ausschließlich auf andere angewiesen sein und der Gang zum Supermarkt gehört zu ihrem normalen Alltag einfach dazu.
Wie reagiert man nun darauf? Hätten wir ihnen den Ernst der Lage näher schildern sollen? Ihnen womöglich Angst machen sollen?
Wir entschieden uns dagegen und stiegen stattdessen mit einem unbefriedigenden Gefühl wieder die Treppen zu unserer Wohnung hinauf. Natürlich kann man niemanden dazu zwingen Hilfe anzunehmen und die Wünsche der Mitmenschen müssen respektiert werden. Unsere Handynummer haben wir dennoch ausgetauscht – sollten sich die Meinungen doch nochmal ändern.