Ein Glas mit Eiswürfeln auf einem Bartresen.
Das Glas niemals alleine stehen lassen!

Ein Armutszeugnis für Berlins Partyszene

K.o.-Tropfen sind, auch wenn man es gerne anders hätte, noch immer ein Thema. Auch in Berlins Partyszene kommt es vor, dass sie jungen Frauen in den Drink gemischt werden und sie dadurch die Kontrolle über sich verlieren.

Gerade noch haben sie auf der Tanzfläche mit ihrem Bier angestoßen, sich zugezwinkert und die verschwitzten Haare hochgebunden. Eine knappe halbe Stunde später kippt die Stimmung: „Leonie* hat sich wie verrückt im Kreis gedreht. Völlig unkontrolliert hat sie die Hälfte ihres Getränks verschüttet“, erinnert sich Freundin Sarah*. „Dann redete sie wirres Zeug, rannte vor uns weg, versteckte sich hinter dem DJ-Pult, bis sie weggeschickt wurde, und wollte partout nicht mit uns nach Hause gehen“, erzählt sie weiter. Zu zweit schaffen ihre Freundinnen es dann doch, Leonie nach Hause zu schleifen. Auf dem Heimweg übergibt diese sich und ist längst nicht mehr ansprechbar, geschweige denn in der Lage zu laufen. Und das nach drei Bier!?

Am nächsten Morgen dauert es lange, bis Leonie erkennt, dass sie im Bett ihrer Freundin liegt. An den letzten Abend kann sie sich nicht erinnern. Ihr ist schlecht und sie hat nicht einmal Kraft, aufzustehen. Der 23-Jährigen schießen Tränen der Wut in die Augen, denn eigentlich hat sie nur ein paar Bier in einer Bar getrunken.

Als sie später mit ihren Freundinnen den Abend rekonstruiert, wird den jungen Frauen klar, dass Leonie sogenannte K.-o.-Tropfen verabreicht bekommen haben muss. Die Symptome passen: erst Trance, dann Sturheit, Übelkeit, Blackout. Alles ganz plötzlich. Ihre Freundinnen erinnern sich, die Biergläser ab und zu am Rand der Tanzfläche abgestellt zu haben.
Leonie sei definitiv kein Einzelfall, doch valide Zahlen über den Einsatz von K.-o.-Tropfen in Berliner Clubs und Bars gibt es trotzdem nicht, sagt Jörg Majowski von der Berliner Polizei. Die meisten Vorfälle kämen aufgrund der geringen Halbwertzeit des oft verwendeten Gamma-Butyrolactons (GBL) nicht zur Anzeige. Schon nach zwölf Stunden ist die Substanz nicht mehr im Körper nachweisbar.

Wer nicht völlig blind durch Berlins Clubs steppt, weiß, dass GBL hier manchmal auch freiwillig konsumiert wird. Gefährlich genug. Die Gefahr bei der Verwendung dieser Substanzen als K.-o.-Tropfen liegt jedoch besonders darin, dass das Opfer absolut nicht mit der einsetzenden Wirkung rechnet. Der „Rausch“ trifft den Betroffenen, oder vornehmlich die Betroffene, noch stärker, als es bei freiwilligem Konsum der Fall wäre. Dazu kommt der lebensbedrohliche Mischkonsum mit Alkohol.
Mehrheitlich seien es tatsächlich Frauen, die davon berichten, K.-o.-Tropfen verabreicht bekommen zu haben, meint Polizeihauptkommissar Majowski weiter. Die Absicht dahinter sei, die Opfer willenlos und gefügig zu machen, um sie sexuell missbrauchen oder bestehlen zu können.
Leonie weiß, dass sie Glück im Unglück hatte. Viele Fälle enden anders. Nackt im Schlafzimmer eines Fremden oder einsam, ohne Handy, Portemonnaie und Schlüssel auf der Straße. „Natürlich werden wir in Zukunft aufmerksamer sein“, resümiert Leonies Freundin Sarah, „trotzdem ist es leider ein echtes Armutszeugnis für die hiesige Partyszene, dass man mit so etwas rechnen muss!“

*Die Namen wurden von der Redaktion geändert.

Titelfoto: Stock.Adobe/Alexkich

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