Urbexer unterwegs

Lost Places: Urbexer auf der Suche nach verlassenen Orten

Max und Virginia sind sogenannte „Urban Explorer“. Sie erkunden und fotografieren verlassene Orte in Berlin und Brandenburg.

Ein letztes Mal vergewissern sich Max und Virginia, ob sie auch wirklich nicht beobachtet werden, dann klettern sie schnell durch das kleine Fenster im Pförtnerhäuschen, um auf das verschlossene Gelände zu gelangen. „Schau mal da drüben, das stand doch letztes mal noch nicht da?“, sagt Virginia zu Max. Misstrauisch betrachtet sie einen kleinen grauen Kasten neben dem verschlossenen Eingangstor. „Keine Ahnung was das ist, aber ich kann zumindest keine Überwachungskamera sehen“, beruhigt der 20-Jährige seine Freundin. Weiter vorne stehen versteckt hinter Bäumen und Sträuchern einige Häuser. Zügig laufen die Beiden darauf zu.

Max Felske und Virginia Kelm befinden sich auf dem verlassenen Gelände einer Militärkaserne nahe Berlin. Vor dem verschlossenen Eingang stehen Warnschilder: „Betreten verboten“ und „Achtung Lebensgefahr durch Munition“. Das schreckt sie aber nicht ab, die Neugier überwiegt die Angst. Max und Virginia sind sogenannte Urban Explorer, kurz Urbexer; sie suchen verlassene Orte auf, um sie zu erkunden und fotografisch zu dokumentieren. Es fasziniert sie, sich vorzustellen was in den Gebäuden früher passiert ist und wer dort einmal gelebt hat.

„Erwischt zu werden ist eben das Risiko unseres Hobbys“

Als Urbexer halten sie sich an einen Verhaltenskodex. So verraten sie nie, wo genau sich der Lost Place befindet, um ihn vor „Ruinentourismus“ und Vandalismus zu schützen.

Immer wieder schauen sich Virginia und Max aufmerksam um, ob sie auch wirklich unbemerkt geblieben sind. „Das hier war das alte Casino, darin gibt es einen riesigen, noch gut erhaltenen Saal“, berichtet Max von einem früheren Besuch. Doch die Haustür ist verschlossen worden und auch die Fenster sind zugemauert. „Hier kommen wir heute wohl nicht rein“, sagt die 18-jährige Virginia niedergeschlagen.

Ein weitere Regel besagt, dass sich die Urbexer nie gewaltsam Zutritt zu den Gebäuden verschaffen. „Wenn eine Tür zu ist, ist sie zu und wir akzeptieren es“, so Virginia. Die beiden Jugendlichen laufen weiter in Richtung des nächsten Hauses. Plötzlich bleibt Max wie erstarrt stehen und zischt „Da kommt ein Auto auf uns zu!“ Sie springen in ein Gebüsch am Wegesrand und hoffen, dass sie nicht gesehen wurden. Genau vor dem Gebüsch, in dem die beiden verschwunden sind, bleibt das Auto stehen, doch keiner steigt aus. Es ist der Sicherheitsdienst, der das Gelände bewacht. Wenn Max und Virginia erwischt werden, droht ihnen eine Anzeige wegen Hausfriedensbruchs. Nachdem sie zehn Minuten regungslos verharrt haben, fährt das Auto weiter. Virginia hat einen gewaltigen Schreck bekommen, Max dagegen ist ganz gelassen: „Erwischt zu werden ist eben das Risiko unseres Hobbys, damit müssen wir leben.“

Wie eine Geisterstadt

Obwohl sie nun wissen, dass das Areal ständig bewacht wird, erkunden sie es weiter. Auf einer riesigen freien Fläche, erheben sich mehrere leerstehende Plattenbauten, und Einfamilienhäuser. „Das waren die Offiziersunterkünfte“, erläutert Max. Es sieht aus wie in einer Geisterstadt. Die Häuser haben teilweise keine Fenster mehr, die Türen sind aus den Angeln gefallen und alles ist von Pflanzen überwuchert. Die Natur holt sich das Gelände langsam wieder zurück.

alte kaserne
Diese leerstehenden Häuser in der alten Kaserne waren früher Offiziersunterkünfte. Weitere Bilder hier. Foto: Roswitha Engelen

In einem der vielen Plattenbauten finden Virginia und Max sogar noch Inventar, wie Badewannen, Öfen oder Herde. Die Tapete blättert von den Wänden und an den Treppen sind die Geländer weggebrochen. Im obersten Stockwerk gibt es einen Balkon, von dem man eine grandiose Aussicht über die anderen Gebäude hat. Es ist vollkommen still, man hört nur das Klicken ihrer Kameras. Die Fotos der Lost Places stellen die beiden Berliner auf ihre Facebook-Seite „The Archives of the Lost“. Sie sind somit Teil einer großen „Lost-Place-Community“ in dem sozialen Netzwerk.

Nach mehreren Stunden Erkundungstour, verlassen die zwei Abenteurer das Grundstück durch ein Loch im Zaun. „Heute ist es noch mal gut gegangen“, Virginia ist spürbar erleichtert, nicht erwischt worden zu sein.

Von Roswitha Engelen, 21 Jahre

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