Fast täglich bekommt unsere Autorin über ihr Handy intime Fotos zugeschickt – ungefragt und von zumeist völlig Fremden. Was bleibt, ist ein Gefühl von Hilflosigkeit.
Mein erstes Penisbild habe ich von einem 19-jährigen Jungen bekommen, den ich in den USA auf einem Kreuzfahrtschiff kennengelernt hatte. Damals war ich gerade einmal 14 Jahre alt. Zuerst nahm ich auf der Aufnahme nur eine Fernbedienung wahr. Dann erkannte ich das Geschlechtsteil, das im erigierten Zustand daneben zu sehen war. Ich warf mein Handy aufs Bett und schrie laut auf – vielleicht passierte das auch in umgekehrter Reihenfolge, ich erinnere mich nicht mehr genau. Meine Mutter kam panisch aus dem Bad gerannt. Ich zeigte einfach auf mein Handy. Sie nahm es, brauchte einen Moment und schmiss es ebenfalls zurück aufs Bett. Glücklicherweise kann ich mit meiner Mama über alles reden. Wir sprachen lange und konnten schließlich darüber lachen.
Leider blieb es nicht bei diesem einen Vorfall. Heute, drei Jahre später, habe ich nicht weniger als 783 Fotos von Sixpacks und Penissen zugeschickt bekommen – ohne auch nur nach einem davon gefragt zu haben. Was darauf alles zu sehen ist, will ich lieber nicht im Detail beschreiben.
Meistens kamen die Bilder über Snapchat von Jungs, die meinen Account durch Instagram oder Lovoo ausfindig gemacht hatten, aber auch von Klassenkameraden und Partybekanntschaften. Bis heute frage ich mich, wie sie auf die Idee kommen, ihr Geschlechtsteil vor einer Handykamera zu präsentieren, um es dann ohne Vorwarnung an Mädchen zu senden. Ich käme nie auf diese Idee. Doch was hat meine Generation dazu gebracht, dass solche Fotos ein fester Bestandteil unserer Jugend sind? Ich vermute, eine seltsame sexuelle Prägung durch viel Pornokonsum ist der Grund.
Auf Instagram werde ich oft via Direktmessage von irgendjemandem gefragt, ob ich Interesse daran habe, seinen „harten Schwanz“ zu sehen. Nein, nein, nein! Aber wenigstens werde ich von diesen Kandidaten vorgewarnt. Denn abgesehen davon, dass ein DickPic für ein junges Mädchen schockierend und ekelhaft ist, vergessen die Jungs, dass sie einem die Entscheidung nehmen, so etwas Intimes sehen zu wollen oder nicht. Besonders unangenehm ist es, wenn man gerade neben seinem Freund sitzt und auf einmal einen Penis auf dem Bildschirm hat. Schlimmer aber ist, dass immer ein Gefühl von Hilflosigkeit zurückbleibt. Meine Reaktion ist, die Absender zu blockieren. Wenn ich einen besonders guten Tag habe, schicke ich ein Foto von einem anderen Penis aus meiner ungewollten Sammlung zurück.
Sophie, 17 Jahre, die aus Angst vor weiteren DickPics verständlicherweise lieber nicht unter ihrem Klarnamen schreiben will