Mehr als 3 200 meldepflichtige Gewalttaten wurden im vergangenen Schuljahr an Berliner Schulen begangen – deutlich mehr als noch im Jahr zuvor. 
Die Kreuzberger Carl-von-Ossietzky-Schule ist da ein Lichtblick: Hier wurde deutlich seltener geprügelt als noch vor wenigen Jahren. (Foto: Fotolia/Jonathan Stutz)

Pausenbrote für das Opfer: An Kreuzberger Carl-von-Ossietzky-Schule gehen Gewalttaten zurück

Mehr als 3.200 meldepflichtige Gewalttaten wurden im vergangenen Schuljahr an Berliner Schulen begangen – deutlich mehr als noch im Jahr zuvor. Die Kreuzberger Carl-von-Ossietzky-Schule ist da ein Lichtblick. Ein Besuch

Von Roswitha Engelen, 21 Jahre

Als sie vor acht Jahren ihre Arbeit aufnahm, habe es wöchentlich etwa drei Meldungen über Gewalt gegeben, sagt Anett Burow, Direktorin der Kreuzberger Carl-von-Ossietzky-Schule. „Heute haben wir das nur noch wenige Male pro Jahr“, sagt sie. Zu diesem Erfolg habe unter anderem Felix Schröder beigetragen. Der Schulsozialarbeiter kümmert sich hauptsächlich um die Schüler der Oberstufe. Zu seinen Aufgaben gehört nicht nur die Gewaltprävention und -intervention. Schröder hilft auch bei familiären Problemen und berät in schulischen oder beruflichen Fragen. „Es ist wichtig, ein Vertrauensverhältnis zu den Jugendlichen aufzubauen, sie müssen wissen, dass ich sie nicht bei der Polizei verrate, nur so kommen sie bei Problemen zu mir“, berichtet der 34-Jährige.

30 Prozent mehr Taten in Berlin
Wie gut ihm das gelingt, zeigt sich auf dem Pausenhof: „Felix ist der Beste, er ist voll korrekt und wenn wir Sorgen haben, hilft er uns.“ 
Der 16-jährige Leon ist sichtlich begeistert, wenn er über den Schulsozialarbeiter spricht. Auch der 17-jährige Ali teilt Leons Meinung: „Felix ist sehr hilfsbereit, man kann ihm vertrauen und er versteht uns.“

Mit dieser Entwicklung ist die Gemeinschaftsschule eine Ausnahme. Denn insgesamt steigt die Gewalt an Berliner Schulen: Im Schuljahr 2014/15 gab es 2 475 Meldungen zu Gewaltvorfällen, Krisen und Notfällen, 2015/16 waren es 3 225, erklärt Thorsten Metter, Leiter der Pressestelle der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie. Gezählt werden dabei lediglich Taten, die dem Gefährdungsgrad III – etwa Waffengebrauch, Brandfälle oder Suizide in der Schule – sowie II – hierzu zählen unter anderem Amokdrohungen, der Handel mit Suchtmitteln, sexuelle Übergriffe oder Vandalismus – zuzuordnen sind. Gewaltvorfälle des Gefährdungsgrades I, etwa Beleidigungen, Mobbing oder Suchtmittelkonsum, sind nur meldungspflichtig, wenn „schulinterne pädagogische Lösungsversuche nicht ausreichen, externe Hilfe beziehungsweise eine Meldung an die Polizei erforderlich sind“, erklärt Metter. Auch die Gewalt gegenüber Lehrern nimmt stark zu: „2015/16 wurden 636 Übergriffe auf Schulpersonal gemeldet, 2014/15 waren es 560 Übergriffe“, so Metter. Hierbei würden sowohl verbale als auch tätliche Übergriffe gezählt.

Pausenbrote für das Opfer
Die Carl-von-Ossietzky-Schule zählt zu Berlins Brennpunktschulen und erhält als solche eine besondere Förderung. Seit Anfang 2014 ist sie Teil des Programms „Jugendsozialarbeit an Berliner Schulen“, eines Projekts im Rahmen des Bonus-Programms. „Die Sozialarbeiter sind zusätzliche Partner für Lehrkräfte und Erzieher bei der Gestaltung und Entwicklung des Lern- und Lebensortes Schule, denn sie begleiten und beraten Eltern bei der Ausübung ihrer Elternrolle“, so Schulsenatorin Sandra Scheeres (SPD). „Sie sind Anker- und Netzwerkpunkt für externe Partner wie Jugendfreizeiteinrichtungen, Sportvereine, Jugendberufsagenturen und sie ergänzen durch die Kooperation das schulische Handlungs-repertoire um die Expertise der Jugendhilfe.“

Durchgeführt wird das Programm, das gerade zehnjähriges Jubiläum feierte, aktuell an 128 Grundschulen, 61 Integrierten Sekundarschulen, 32 Förderzentren, 19 beruflichen und zentralverwalteten Schulen sowie neun Gymnasien. Finanziert wird es aus Mitteln des Bildungsetats der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft. „2016 standen dafür im Landeshaushalt insgesamt 14 843 000 Euro zur Verfügung“, so Metter.

Auch die Stelle von Felix Schröder wird daraus finanziert. Dass er anders mit Gewalttaten umgeht, als es noch vor ein paar Jahren der Fall war, wissen die Schüler. Früher habe es einen Verweis mit nach Hause gegeben, inzwischen muss der Schädiger etwas für das Opfer tun. „Das kann eine Woche lang Pausenbrotmitbringen für den anderen sein oder auch eine formelle Entschuldigung“, erklärt Schröder.

(Foto: Fotolia/Jonathan Stutz)

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