Rekrutierungsversuch in Berlin: „Willst du nicht beim Islamischen Staat mitmachen?“

Sie wirkten weltoffen. Erst später wurde dem Freund unserer Autorin klar, dass die vermeintlich netten Männer IS-Rekrutierer sind

Stell dir vor, du läufst durch Berlin und wirst plötzlich von zwei jungen Männern angesprochen. Sie kommen dir sympathisch vor und ihr fangt an, über eure Religion zu diskutieren: den Islam. Du wirst zu einem Treffen eingeladen, bei dem entspannt über den Islam und seine Auslegungen debattiert wird. Dann ändert sich die Situation schlagartig. Dir wird zu verstehen gegeben, dass einige der Teilnehmer Mitglieder beim sogenannten Islamischen Staat sind und man dich für die Terrormiliz werben will. Was wie der Beginn eines Thrillers klingt, ist gerade einem Freund von mir, dem 19-jährigen D., auf der Badstraße passiert.

Ein Einzelfall? Leider nicht, wie wir auf Nachfrage beim Landesinstitut für Schule und Medien Berlin-Brandenburg, kurz LISUM, erfahren. „Menschen bauen Bindungen zu Personen auf, die für ihr physisches und emotionales Wohlbefinden sorgen. Es ist deshalb kaum verwunderlich, dass sich ein großer Teil der Dschihadisten aufgrund von Freundschaftsnetzwerken der Bewegung angeschlossen hat“, sagt Extremismusforscher Michael Rump-Räuber. Wie bei D. erscheinen die Gesprächspartner in einem Moment noch nett, im nächsten wird dir eingeredet, das Image des IS werde von den Medien absichtlich beschmutzt. Es sei alles ein Ammenmärchen. „Dabei wird der IS als kämpferische Avantgarde dargestellt, welche für den wahren Islam kämpft und die Rettung aller bringt“, erklärt Rump-Räuber. Viele junge Menschen verfallen diesem Wahn. „Wer nicht mit ihnen kämpft, ist gegen sie und wird dafür bestraft.“

Insbesondere Heranwachsende zwischen 14 und 35 werden angesprochen, „weil die Identitätsbildung und Sinnsuche in diesem Alter eine wichtige Rolle spielt“, so der Experte. Die Zielgruppe ist klar definiert: Menschen, die sich unverstanden fühlen oder isoliert sind. Jene, die die Mitgliedschaft ablehnen, wissen oft nicht, wie sie sich verhalten sollen. Davor, zur Polizei zu gehen, scheuen sich viele in Anbetracht der wachsenden Angst um die eigene Sicherheit. Rump-Räuber rät, sich Hilfe zu suchen: „In Berlin gibt es ein umfangreiches Unterstützungsnetzwerk zur Prävention gegen Salafismus. Dazu gehören außerschulische -Träger wie Ufuq oder VPN.“

Für D. war diese Begegnung eine klare Warnung. „Es ist schockierend, wie leicht der IS Zugang zu uns jungen Menschen hat.“ Das Schlimmste für ihn ist jedoch die Vorstellung, dass die Rekrutierungsversuche womöglich kein Ende finden.

Malena H., 19 Jahre

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Kategorien Extremismus Politik

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