Schülern bleibt kaum Zeit, sich ehrenamtlich zu engagieren. Evelyn erklärt, was die Schulen ändern müssen.
Dass Schule ein Vollzeitjob ist – Unterricht und Hausaufgaben summieren sich mitunter auf 45 Stunden pro Woche, schätzt das Kinderhilfswerk UNICEF –, weiß Evelyn Weis (20) vom Landesjugendring Berlin aus eigener Erfahrung. Sie wünscht sich Entgegenkommen und Wertschätzung für ehrenamtliches Arbeiten.
Ihr sagt, engagierten Schülern würden zu viele Steine in den Weg gelegt. Wo genau liegen die Probleme?
Wegen der Anwesenheitspflicht in der Schule fehlt die Zeit für das Ehrenamt. Deswegen fordern wir eine 35-Stunden-Woche inklusive Lernen und Hausaufgaben, damit der Rest der Freizeit für ein Ehrenamt genutzt werden kann. Gerade bei den Hausaufgaben muss Zeit gespart werden.
Aber ist Bildung nicht wichtiger?
Sicherlich ist die Bildung essenziell, aber in der Schule werden einem nicht alle wichtigen Fähigkeiten beigebracht. Eine Gesellschaft lebt ein Stück weit davon, dass man sich engagiert und im Kiez aktiv ist. Gerade die Jugendverbände sind davon abhängig. Das in der Schule vermittelte Wissen ist nicht das einzig wichtige. Die Selbstorganisation oder Planung erlernt man viel besser im Ehrenamt.
Eigentlich wäre es gut, jeder junge Mensch würde ein Ehrenamt ausüben?
Man lernt viel über sich selbst und über andere. Man entwickelt durch diese Begegnungen ein besseres Verständnis für Menschen in bestimmten Situationen, als wenn man sich nur Vorträge darüber anhört.
Könnten die Lehrpläne überhaupt ausreichend entschlackt werden?
Wir brauchen mehr Freiräume und Möglichkeiten für die selbstständige Erarbeitung von Inhalten, sodass eine Stundenreduktion möglich wird.
Ihr habt eure Forderungen gerade bei einer Kundgebung an die Politik gerichtet. Meinst du, da tut sich etwas?
Das bleibt fraglich. Aber die Kundgebung war zumindest ein Schritt in die richtige Richtung.
Wie hast du dein Ehrenamt mit der Schule unter einen Hut bekommen?
Ich trainiere seit der elften Klasse eine Ruderkindergruppe und wurde schnell von der Übungsleiterin zur Trainerin. An einem Tag hatte ich bis 17:15 Uhr Unterricht, das Training begann aber schon um 17:00 Uhr. Zum Glück ließ mich mein Sportlehrer früher gehen. Es war insgesamt sehr lehrerabhängig, ob Rücksicht genommen wurde. Auch das Handyverbot in der Schule hat mich eingeschränkt, weil ich mit den Eltern der Kinder, die ich betreue, kommunizieren musste. Dass das Engagement von den Schulen wenig wertgeschätzt wird, hat mich negativ überrascht. Lehrer sollten verständnisvoller reagieren, wenn Ehrenamtliche mehr Zeit für Hausaufgaben benötigen. Ein kooperativer Umgang wäre wünschenswert.
Sollte es auch Studierenden leichter gemacht werden, sich zu engagieren?
Wir haben das Problem, dass das Engagement oft mit Beginn der Studienzeit endet. Damit weiterhin Zeit vorhanden ist, sollten die Freiräume auch für Studierende gelten. Credits könnten angerechnet werden. Oder sie könnten Ferienschutz oder Wartesemester bekommen.
Das Interview führte Viktoria Koch, 22 Jahre.
Beitragsfoto: Landesjugendring Berlin