Um einen Beitrag zur Schaffung von Chancengerechtigkeit zu leisten: Nora Said, Vorsitzende von Schülerpaten, mit ihrer ehemaligen Schülerin. (Foto: Julian Groß/Schülerpaten Berlin)

„Viele Kinder bleiben schnell auf der Strecke“

Bei Schülerpaten geben Studierende Schülern mit Migrationshintergrund Nachhilfe – und lernen selbst dazu

Statt anderthalb Stunden pro Woche mehr vor dem Fernseher zu sitzen, könne sie ihre Zeit genauso gut nutzen, um einem Schüler bei den Schulaufgaben zu helfen, findet Nora Said, Vorsitzende von Schülerpaten. Der Verein vermittelt seit 2009 Patenschaften zwischen Schülern mit Migrationshintergrund und deutschsprachigen Studierenden.

Liebe Nora, was will Schülerpaten?
Haben die Eltern keinen hohen Bildungsgrad und dazu noch sprachliche Schwierigkeiten, wirkt sich das meist auch auf die schulischen Leistungen ihrer Kinder aus. Wir wollen die Chancengerechtigkeit durch Bildung erhöhen. Wir vermitteln Eins-zu-eins-Patenschaften für Schüler mit Migrationshintergrund aus strukturell benachteiligten Familien. Ein deutschsprachiger Pate besucht ehrenamtlich wöchentlich die Familie und gibt mindestens 90 Minuten lang Nachhilfe. Darüber hinaus fördern wir den Besuch kultureller Veranstaltungen. Die Paten werden zudem von uns betreut, wir bieten regelmäßig Seminare an, die ihnen zum Beispiel bei der Nachhilfegestaltung helfen.

Wer kann Pate werden? Und wie funktioniert die Zuteilung des Tandems?
Das Mindestalter liegt bei 16 Jahren und die künftigen Paten benötigen ein sauberes Führungszeugnis. Man kann sich online anmelden und gibt bestimmte Kriterien an, zum Beispiel, welche Entfernungsstrecke man maximal zu seinem Patenkind zurücklegen und welche Klassen-stufen und Fächer man gern unterrichten würde. Wir schauen dann, wer zusammenpasst. Eine Patenschaft sollte mindestens ein Jahr dauern, um eine gewisse Nachhaltigkeit zu gewährleisten.

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Ihr schreibt, Pate und Schüler lernen voneinander. Wie ist das gemeint?
Die Patenschaft findet in der Familie statt, man lernt gegenseitig seine Lebenswelten kennen und begegnet sich auf Augenhöhe. Viele Paten bleiben oft noch nach der Nachhilfe zum Essen mit der Familie, manchmal entstehen sogar langjährige Freundschaften. Wir bringen Menschen zusammen, die sich sonst wahrscheinlich nie begegnet wären.

Bis vor Kurzem hattest du selbst eine Patenschaft. Wie war das?
Als meine Schülerin eingeschult wurde, konnte sie kaum Deutsch, obwohl sie hier geboren ist. Leider musste sie daher auch eine Klasse wiederholen. Eigentlich ist sie sehr schlau, und wenn man ihr die Schul-aufgaben geduldig erklärt und den richtigen Ansatz findet, versteht sie alles. Nur funktioniert das nicht beim Frontalunterricht in der Schule, weshalb viele Kinder mit Potenzial schnell auf der Strecke bleiben, wenn sie nicht möglichst früh individuell gefördert werden können.

Seit Kurzem gibt es Patenschaften mit geflüchteten Kindern aus Willkommensklassen. Wie funktioniert es da?
Wir kooperieren mit Schulen und haben Listen mit Schülern, die sich einen Paten wünschen. In den Willkommensklassen befinden sich Schüler aus verschiedensten Ländern, völlig unterschiedlicher Alters-stufen und Bildungsniveaus, die oft Schreckliches erlebt haben und nun einen Neuanfang wagen. Wir glauben, dass eine individuelle Betreuung gerade zu Beginn sehr wichtig ist. Von den Paten ist hier besondere Flexibilität gefordert, es geht in erster Linie um Hilfe beim Spracherwerb. Bisher haben auch hier die Tandems bestens funktioniert. Jeder kann den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken, indem er selbst aktiv wird und Verantwortung übernimmt, beispielsweise in Form einer Patenschaft.

Interview: Rabea Erradi, 27 Jahre

Weitere Informationen unter: www.schuelerpaten-berlin.de

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